Seiten

Sonntag, 29. Oktober 2017

184 | Will you remember?


Unser Abschiedsessen nahmen wir Freitagabend bei „Stochos“ ein, in der immer gut besuchten Strand-Taverne. Stochos-Tochter und Kellnerin Evi überraschte mich, weil sie noch wusste, was wir drei Tage zuvor bei ihr bestellt hatten (Dorade und Hackfleischröllchen). Das könne sie sich sogar merken, bis ich im März mit meiner Freundin wiederkäme, behauptete sie. Ich werde es prüfen. Nun nahmen wir Lamm mit Gemüse, Spaghetti Bolognese und noch einmal die Röllchen in Tomatensoße. Während wir aßen, beobachtete ich, wie Evi den Tavernen-Kätzchen Essensreste auf das Tresendach warf. Nicht als Showeinlage, sondern aus als selbstverständlich empfundener Tierliebe. Im Ort gab es auch einen unbesetzten Flohmarkttisch, dessen Verkaufserlös - laut Hinweisschild - den immer hungrigen Miezen zugute kommt.
Selbst gut gesättigt gingen wir an unserem letzten Abend auf einen Abschieds-Absacker zu Manolis. Ganz allein saß er bei einer kleinen Flasche Mythos vor dem Fernseher und rauchte.


Wir bestellten Getränke und unterhielten uns lange über alles Mögliche, bis ein Paar reinkam, das ich noch vom Vorjahr kannte (und das seit 12 Jahren immer wieder hierher kommt).
Die letzte Nacht in Agia Galini verlief ruhig. Kein Wind rüttelte an den Fensterläden, kein Blitz und Donner über dem Apartment, keine Mücken darin. Nur Nachbar Hahn war ab fünf einmal mehr zu hören.
Wie ich vermutete, kamen vormittags viele Einheimische zu den Hafenbars, um den Nationalfeiertag mit Freunden und Verwandten zu feiern. Die überwiegend schwarz gekleideten Erwachsenen saßen im Schatten (es war wieder warm), die herausgeputzten Kinder spielten an der Palmenrabatte Fangen. Viele Jungs mit Hemd und Gürtel, die Mädchen mit weißen Strumpfhosen und Schleifchengestecken im Haar. Dass sie beim Spielen nicht lange feierlich aussehen würden, schien den Eltern wenig auszumachen. Und genau so muss das sein.



Auf dem Rückweg vom Frühstück winkten wir Evi am Stochos zu.
„Gute Reise!“, rief sie auf Deutsch.
„In the March“, rief ich zurück, „will you remember?“ Womit ich unsere Bestellung meinte.
„Yes!“, kam es lachend von hinten. „Dorade and lamb!“


Den Apartment-Pool hatten die Besitzer zwar wieder frisch aufgefüllt, doch für „ihr Spiel“ waren meinen Jungs zu viele Insekten darin. Außerdem fehlten mittlerweile nicht nur sämtliche Sonnendächer, sondern auch Liegen.
Also wurde gechillt und auf Evis Anraten eine Stunde früher als geplant nach Heraklion gefahren. Weil am „Ochi-Tag“ mit Straßenumzügen und Absperrungen zu rechnen war. Doch außer Fähnchen und Wimpelketten war nichts zu sehen. Die Umzüge fanden nämlich bereits um elf statt, meinte eine Kellnerin, bei der wir eine halbe Autofahrstunde vor Heraklion Gyros und Souvlaki aßen. (Weil der Flughafen nur überteuerte Sandwiches bietet.)
Sehr zeitig gaben wir dann unseren roten Flitzer wieder ab und ich tauschte am Heraklion Airport, obwohl es heiß war, meine Shorts gegen lange Jeans um. Danach hieß es: weiter auf das Boarding warten. Zum Glück herrschte in der Halle nicht so ein Chaos wie im Sommer. Desorganisation gab es trotzdem: Nach dem Kofferauswiegen musste nämlich jeder sein Gepäck wieder vom Band nehmen und durch die Schlangen zur Scanner-Förderanlage tragen. Anschließend wurden alle Berlin-Reisenden zum Gate 3 geschickt. Der Eingang zu den Gates 1-7 befand sich gleich nebenan. Doch da hieß es, nein, hier würde geschlossen. Also Rückstau und ab durch die Halle zum nächsten Eingang für die Gates 1-7. Verstehen brauchte man es nicht. Zu guter Letzt musste ich am Körperscanner auch noch meine Schuhe ausziehen, die bereits in Tegel Alarm geschlagen hatten. Dabei ist an ihnen nichts Metallisches dran.
Im Flieger war ich von nervigen Kindern umzingelt, und damit meine ich nicht meine Jungs. Es war laut und ruckelte beständig an der Rückenlehne (vor allem, wenn ich die Augen schloss). Meine Armlehne wurde von einer Fünfjährigen zur Ballettstange umfunktioniert und eng war es sowieso. Und dann die Herbststurm-Turbulenzen über Deutschland, die ich mit Johnson „Ingrid“ nicht weglesen konnte. Zum Glück überlebte ich auch die und wir landeten halbwegs sanft in Tegel. Meine Freundin war schon da; nur unsere Koffer kamen spät, aber sie kamen. Berlin und das Schmuddelwetter hatten uns also wieder.


Mein Abschlussfazit: Den Jungs und mir hat die Urlaubswoche sehr gut gefallen. Es gibt bereits Pläne für eine Wiederholungstour. Und falls mich im Winter das Fernweh befällt, werde ich eben Kleftiko zubereiten und mich im Blog von Kreta-Klaus festlesen. Der starb leider vor einiger Zeit, hat aber - sozusagen als Vermächtnis - seine Reiseberichte hinterlassen, die mit meinem Geburtsjahr beginnen.



Freitag, 27. Oktober 2017

183 | Abschiedsrunde

Auf dem Weg zum Strandlokal mit Lehmofen sahen wir gestern über dem abgedunkelten Meer lautlose Blitze aufzucken. Ein mit Sonnenuntergängen und Sternenhimmeln vergleichbares Schauspiel, nur wesentlich dramatischer. Die Wolken wurden gelborange illuminiert und ein Blitz sogar seitlich nach oben geschleudert. Für das Smartphone-Video aber leider zu weit weg.


Unser heutiger Morgen begann stürmisch, doch nach acht entspannte sich der Himmel über Agia Galini. Beim Frühstück am Hafen taten Sonne und Wolken dann so, als sei nichts gewesen. Während wir geröstetes Brot mit Spiegeleiern und Bacon aßen, spielten vor den Bars einheimische Kinder, die - so unsere Kellnerin - wegen des morgigen Feiertags bereits jetzt schon schulfrei hätten. Und darüber schien der kretische Nachwuchs mehr als erfreut.
Von Tag zu Tag sitzen übrigens immer weniger Urlauber in den Lokalen. Es ist eben Saisonende, was sich immer mehr am unbeständigen Wetter zeigt. Gut für die Einheimischen, die sich nun selbst ein wenig erholen können oder ihren Verwandten bei der Olivenernte helfen. Viele Hotels und Tavernen schließen deswegen bereits Ende Oktober und einige Küstenorte wirken allmählich wie ausgestorben. Doch gerade diese Ruhe gefällt meinen Jungs und mir.
An unserem letzten vollen Urlaubstag setzten wir uns raus an den Pool, aus dem bereits etwas Wasser abgelassen worden war. Ich liebe es, meinen Jungs dort beim Quatschmachen zu beobachten. Ihr Lieblingsspiel bestand in den letzten Tagen darin, sich mit einem Ball abzuwerfen (was sie eigentlich nicht dürfen) oder noch lieber mit ihren Badeschlappen. Dafür rennen sie sich am Beckenrand hinterher (was sie eigentlich nicht dürfen) und lachen aus vollster Kehle (was sie bestimmt auch nicht dürfen). Aber außer uns sitzt niemand mehr dort, so auch heute Mittag nicht. Doch statt Sonne zeigten sich erneut nur Wind und Wolken. Deshalb beschloss ich, im Ort eine kleine Runde zu drehen. Eine Abschiedsrunde für das nächste halbe Jahr, wenn man so will. Ich umkreiste die Kirche (lohnt nicht), sah in heruntergekommen Winkelgassen  und Touri-Shops (lohnt nicht), beobachtete am Hafen Angler und Fischer bei ihrem Tun (lohnt immer) und knippste Gefälliges (lohnt manchmal).




Währenddessen waren doch wieder erstaunlich viele Touristen unterwegs. Möglicherweise schlafen sie täglich bis mittags und gehen dann essen. Viele sah ich jedenfalls futtern. Oder sie zeigen sich nur bei Sonne, die am Nachmittag doch noch einmal rauskam. Da gingen mein einer Sohn und ich gleich zum Abbaden ins Meer (was der andere, warum auch immer, nicht mag).


Durch ablandigen Nordwind gab es keine Brandungswellen, nur die aufgeraute Weite der See. Nur Salzgeschmack und Wind im Haar, nur Sommerluft, Lachen und ausuferndes Ferienglück.


Mein Fazit: Manchmal zeigt sich einem das Glück aber auch, wenn man mit Badelatschen beworfen wird.



Donnerstag, 26. Oktober 2017

182 | Rethymno 2017

Das Hertha-Spiel wurde gestern in den Kafenia, wo auf Großbildschirmen ständig Fußball läuft, nicht übertragen. Also schauten wir es mit schlechter WLAN-Verbindung am Laptop. Ich bis zum bitteren Ende, die Kinder, bis feststand, dass die „Alte Dame“ einen traurigen Anblick bietet.
Gegen sechs erwachte ich von flackerndem Licht: Wetterleuchten in den Bergen. Meine Jungs ließen sich wenig später von hungrigen Mücken wecken.
Ein weiterer Blick aus dem Fenster und auf den Wetterbericht: Heute würde ganz Kreta mit Regen überzogen. Also nichts mit Pool und Meer. Stattdessen machten wir uns in den Norden auf; denn wo man nass wird, ist letztlich egal. Mit unserem roten Flitzer fuhren wir durch die Berge nach Rethymno, der drittgrößten Inselstadt, und parkten an der parallel zum Strand verlaufenden Straße. Kaum ausgestiegen, begann es auch dort zu regnen. Stürmisch war es sowieso, weshalb die Wellen an Land zu kommen versuchten.


An der Promenade gönnten wir uns Eis, stellten uns unter Markisen und schlenderten zum venezianischen Hafen, wo ich bereits letztes Jahr mit meiner Freundin war. Dort drängen sich, wie ich wusste, Touristen und Restaurants, und die Kellner sind mehr als aufdringlich.
„Los“, sagte ich zu meinen Söhnen, bevor der Gastro-Spießrutenlauf begann, „wir tippen mal, wie oft wir von den Türstehern angesprochen werden."
„Dreimal!“, sagte der eine.
„Siebenmal!“, der andere.
„Zweimal!“, sagte ich.
Am Ende war es dreimal, was wenig ist und nur am Wetter lag.


Den nächsten Spaß hatten die Jungs, als wir auf der Hafenmauer zum Leuchtturm liefen. Es war ihr altes Spiel: Sie taten, als würden sie stolpern oder springen und ich war das Opfer lähmender Pseudo-Stromstöße.


Dafür kam ich anschließend auf meine Kosten: Für ein Mutproben-Foto stellten sie sich auf dem Parkplatz vor die zum Meer gehende Betonmauer, über welche ab und an Gischt klatschte. Da sich kein Schwall ankündigte, wurde es nichts mit dem Foto. („Mist, wieder zu spät gedrückt.“) Recht nass waren die Burschen hinterher trotzdem.



Als Trost gab es unterhalb der alten Befestigungsanlage, der „Fortezza“, Cola im Straßencafé. Dann bummelten wir durch die mit griechischen Flaggen-Wimpeln für den Nationalfeiertag am 28. Oktober geschmückte Altstadt zum Auto. Dieser Tag, der „Ochi“-Tag, geht auf ein 1940 von Mussolini gestelltes Ultimatum an den damaligen griechischen Präsidenten zurück. Der sollte nämlich "ja" zur Besetzung seines Landes sagen. Doch er sagte „ochi!“ - "nein!" - und wird dafür immer noch gefeiert.


Als wir zurück nach Agia Galini fuhren, wurde es bald fühlbar wärmer und der Himmel war nur noch halb bedeckt. Immer wieder faszinierend, das zu erleben. Doch jetzt stürmt es auch hier. Couch- und Zu-Hause-bleib-Wetter.
Dabei steht für den Abend Pizza auf der Agenda, die sich nicht bestellen lässt. Und für morgen - wenn der Wetterbericht recht behält - Schwimmen im Meer.


Mein Fazit: Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist. Und manchmal wird auch ein „Nein!“ von vielen bejaht.


Mittwoch, 25. Oktober 2017

181 | Hinter der Brandung


Ein Donnerschlag morgens halb acht, dann bedrohliches Grollen, Regen und neuer Donner, direkt über uns. Ich war bereits wach, meine Jungs wurden es. Das heißt, sie griffen nach ihren Smartphones und strapazierten das WLAN. Einen Fernseher haben wir nicht in unserem Häuschen, aber der fehlt auch niemandem.
Bevor wir gestern Abend zu Manolis gingen, standen wir auf der Kaimauer des Hafens, weil ich den Sonnenuntergang festhalten wollte. Den Jungs wurde es schnell langweilig, da die Sonne sich weigerte dynamischer zu versinken. Deshalb taten sie so, als würden sie stolpern oder von der 5 m hohen Mauer springen. Sie wissen, dass ich dann jedes Mal eine Art Stromstoß verpasst bekomme. Von meiner Sorge und Höhenangst. So einfach sind die kleinen Freuden der Bengel.


Manolis hatte seine Terrasse schon halb winterfest gemacht, als wir eintrafen. Ein paar einheimische Gäste saßen drinnen, wir setzten uns raus. Noch lag nämlich Spätsommer in der Luft. Wie bereits am Sonntagabend servierte Manolis ohne zu fragen frisches Weißbrot und Tsatsiki, was die Jungs lieben. Dann brachte er das Stifado mit chipsartig frittierten Kartoffeln. Für Letzteres schwärmte der Nachwuchs, nur beim Fleisch wurden die Gesichter lang. Es schmeckte ihnen tatsächlich zu sehr nach Kaninchen. Mir eher nach Ente, nach Wildente, der ich noch eine Stunde im Ofen gegönnt hätte. Also tauschten wir: Ich bekam das Fleisch, die Jungs meine Kartoffeln. Weil der Tausch sie zufriedener, aber nicht satt machte, brachte Manolis eine weitere Portion Tsatsiki mit Brot und für mich - zur Verdauung - ein Schnapsglas und eine Raki-Flasche, auf deren Grund eine selig entschlummerte Obstfliege lag.



Bereits heute Vormittag war das schöne Wetter zurückgekehrt. Das, wofür man in den Urlaub fliegt. Und so ließ ich mich mit einem meiner Söhne entspannt im türkisblauen Meer treiben. In der Flaute hinter den Wellen, die immer noch ziemlich kräftig waren. Mit uns trieb die tiefste Zufriedenheit des entschleunigten Lebens. Es war einfach herrlich: die Ruhe um uns her, der Panoramablick auf die Insel, das ferne Rauschen der Brandung. Am Himmel hatten Schönwetterwolken festgemacht und auf dem Gebirge hinter sandbraunen Küstenbergen gleich eine ganze Cumulus-Armada. Sie wartete auf flutende Winde, um wieder mit Donnerschlägen zu imponieren. Aber das friedliche Wetter hielt sich. Doch der Preis, den mein Sohn und ich für dieses großartige Badekino bezahlten, waren neuerliche Brandungs-Schnitte in Händen und Füßen, die wir Helden uns am Ufer zeigten.
Halbwegs getrocknet las ich auf einer der orangen Strandliegen in meiner Urlaubslektüre weiter: „Ingrid Babendererde/Reifeprüfung 1953“.


Was ich von Johnsons Frühwerk halte, weiß ich noch nicht so recht. Wie einen alten Wein hatte ich das Büchlein kurzerhand aus dem Regal genommen und eingesteckt. Gehaltvoll ist es wohl, wenn auch nicht süffig.

Nach dem Abendessen wollen wir in einem der Hafencafés das DFB-Pokalspiel Hertha gegen Köln sehen (so es denn gezeigt wird). Schließlich ist das hier auch ein richtiger Jungs-Urlaub, jawoll!


Mein Fazit: Das Meer gibt nicht nur und nimmt, es sorgt auch für Aussichten und Einschnitte.


Dienstag, 24. Oktober 2017

180 | Kaninchen rupfen


Gestern Abend braute sich ein kurzes Gewitter über Agia Galini zusammen. Es entleerte sich donnernd zweimal in der Nacht und verschwand wieder. Der Wetterbericht hatte es kommen sehen. Wind und Wolken wurden zurückgelassen und eine aufgewühlte See, die im Licht nach cremigem Badezusatz aussah. Gegen Mittag behauptete sich die Sonne immer mehr. Während meine Jungs am Pool chillten, stattete ich Manolis einen Besuch ab. Er stand in der Küche am Waschbecken und nahm ein schwarzweißes Tier aus. Ein Kaninchen, wie es schien. Ob vorgestern die Jagd erfolgreich war, wollte ich wissen. Keine Jagd, Manolis hatte das „Ilios“ bis um 2.00 Uhr offen gelassen und war noch zu müde. Heute Abend gebe es jedenfalls Stifado, freute er sich und sagte etwas von „Rabbit“ und „the best“. Und ich solle endlich in die Küche reinkommen. Am Waschbecken sah ich dann, dass sein Kaninchen-Rabbit Federn hatte.
„This is Chicken!“, entfuhr es mir.
„Yes, Chicken. From the mountain.“ Stolz zeigte er auf das dunkle Fleisch, das vielleicht wie „Rabbit“ aussehe, schmecke oder was weiß ich. „The best“ jedenfalls. Und so reservierte ich gleich zu 19.00 Uhr.
Dann ging ich mit einem meiner Söhne im Meer baden. Die Brandung war gewaltig. Juchzend stürzten wir uns in die Wellen, wurden weggerissen und von nachrückenden Kawenzmännern überrollt. Was für ein Spaß! Doch als wir rauskamen, bluteten wir von den Unterwassersteinen an den Füße.


Die Luftmatratze, die wir vor 2 Jahren im Norden Kretas gekauft hatten, wurde übrigens aus Rache von einem der Terrassen-Kätzchen mit den Krallen perforiert. (Wahrscheinlich, weil wir sie, wenn sie rein wollten, immer zischend verscheuchten. Unsere Nachbarinnen, zwei alte englische Ladys, erzählten, dass die Katzen das bei unserer Vorgängerin durften. Die Dame hatte alle kläglich maunzenden Racker auch immer schön gefüttert.) Und die Taucherbrille, die ich mir letzten Herbst in Agia Galini holte, vergaß ich vorgestern am Strand. Aber was soll´s. Weniger ist mehr, dachte Hans im Glück.


Nach dem Wellentauchen machte ich einen Spaziergang zwischen Kliff und tosendem Wasser. Dabei konnte ich hören, wie unter Wasser die „rolling stones“ abgeschliffen wurden, und sehen, was für Müll angespült worden war: vor allem Plastik statt Schwemmholz zwischen Seegras und Steinen. Nur leider keine hellblaue Taucherbrille. Dafür ein Kinderschuh, bei dem ich an die vielen kleinen ertrunkenen Bootsflüchtlinge denken musste.




Mir fällt noch ein: Als ich gestern in Mátala eine der niedrigen Felsenhöhlen inspizierte, um Fotos von Petroglyphen zu machen, hörte ich, wie sich ein deutsches Pärchen unterhielt.


Sie: „Also in der Hippiezeit hätte ich hier auch gewohnt.“
Er: „Ist doch viel zu niedrig.“
Sie: „Aber zum Schlafen gehts.“
Er: „Hier kann man nicht mal richtig vögeln. Würden die Nachbarn alles mitkriegen.“
Sie: „Ach was, im Hotel ist es genauso hellhörig.“


Mein Fazit: Love & Peace darf auch lauthals in die Welt geschrien werden.


Montag, 23. Oktober 2017

179 | Mátala 2017


Natürlich wollte ich meinen Söhnen auch Mátala, den Hippie-Höhlen-Touri-Ort, zeigen, in dem ihr Vater vor einem viertel Jahrhundert seine Jugend genoss. Und so fuhren wir nach einer Poolrunde gegen Mittag hin, mit Flower-Power-Klängen aus der Mini-Musik-Box und heruntergelassenen Fensterscheiben.
Ich parkte wie letztes Jahr auf dem staubigen Campingplatz, wo ich Anfang der Neunziger gezeltet hatte.




Wir schlenderten durch den Ort, machten Fotos vom bemalten Fußboden, einem bemalten VW Käfer und sonstigem Love-&-Peace-Zauber. In dem Höhlenunterstand oberhalb der Kneipen verkauften die alten bärtigen Männer noch immer ihren Schmuck - und irgendwie auch ihre Seele. Sie ließen sich für Bier oder ein, zwei Euro mit Urlaubern fotografieren, die sogar ihre Gitarre halten durften. Dabei erinnerten sie mich an die For-Weed-and-Beer-Bettler vom S-Bahnhof Frankfurter Allee.
Als wir in der „Hakuna Matata“-Bar Cola tranken (wie 2016 mit meiner Freundin), bemerkte einer meiner Söhne, dass sein weißes Polo-Hemd beschmutzt war. Der Grund: Auf einem Kissen war - woher auch immer - graufettiges Schmiermittel drauf. Mein Shirt hatte auch etwas abbekommen. Ich gab das Kissen dem Kellner und versuchte das Zeug auf der Toilette mit Waschschaum und Spülmittel vergeblich herauszuwaschen. Statt einer Entschuldigung hörte ich vom Kellner nur: „3 Cola, 6 Euro.“ Trinkgeld gab es also keines.
Mit angesäuerten Gesichtern gingen wir zu den Felsenhöhlen auf der anderen Strandseite hinüber. Immerhin durften die Jungs dort kostenlos herumklettern, und für mich waren 2,-€ Eintritt okay. Irgendwie muss Griechenland ja zu Geld kommen.

Dann ging´s zum Baden in die Bucht. Die Jungs stürzten sich in heranrollende Wellen, schielten nach hübschen Bikini-Frauen und ich machte Fotos. Nur von den Jungs.



Nach einem Eis-Stopp (überteuert und unfreundlich) fuhren wir mit kretischer Radio-Dudel-Musik in unserem roten Miet-Fiat-Panda zurück nach Agia Galini, wo die nächste Poolrunde anstand.

Mein Fazit: Dank eines versauten Shirts kann mir Nepp-Mátala die nächsten Jahre gestohlen bleiben. Das Fazit der Jungs: Allein des Sandstrandes und klaren Wassers wegen gerne wieder.

Sonntag, 22. Oktober 2017

178 | Agia Galini 2017


Nach einem Jahr bin ich zurückgekehrt. Vordergründig nicht nach Kreta, sondern nach Agia Gallini, dem kleinen Ort an der Südküste der Insel. Diesmal mit meinen Zwillingen (13) und nicht mit meiner Freundin. Sie war deswegen auch ganz betrübt, als sie uns gestern nach Tegel brachte. (Unsere gebuchte Zeit kommt im Frühjahr.)
Das erste, was ich nach unserer Ankunft tat, war, mit meinen Jungs zum „Ilios“ zu gehen, um nachzuschauen, ob es noch existiert. Und das tat es.
„Manolis, my friend!“, begrüßte ich den Inhaber. „You remember me?“ Er schüttelte den Kopf. Doch während ich auf meinem Smartphone Fotos raussuchte, erkannte er mich. Er lachte, wir umarmten uns und ich stellte ihm meine Söhne vor.


Wo Susanne sei, wollte ich wissen. Erneutes Kopfschütteln. Ende letzten Jahres hatten sie zwei Wochen Urlaub in Deutschland verbracht, danach sei sie nicht mehr mit zurückgekommen. Und es gäbe keinen Kontakt mehr seitdem zu ihr. Traurig, nicht wütend sah Manolis aus, als er es erzählte. Ach, wie schade. Die drei Krimis, die ich für Susanne mitgebracht hatte, würde ich also wieder mitnehmen müssen - oder einem deutschen Urlauber schenken.
Das kretische Essen, das Manolis anschließend zubereitete, schmeckte auch meinen Jungs ausgezeichnet: cremig-dicker Tsatsiki zu Brot, dann griechischer Salat, Hühnerkeulen mit Kartoffeln und gegrillte Dorade. Dazu Cola und Mythos-Bier.

Was mich besonders freut: Agia Galini, dieser zum Saisonende entschleunigte Küstenort hat meine Söhne genauso verzaubert wie mich. Während ich jetzt von Kätzchen umlagert auf der Terrasse unseres Ferienhäuschens schreibe, baden sie im Pool.

Gleich dahinter breitet sich der Golf von Messara aus und über uns ziehen die Wildgänse lärmend weiter Richtung Afrika. Auch ich werde gleich dem Sommer hinterhertauchen und am Spätnachmittag auf Fotosafari gehen.




Samstag, 5. August 2017

177 | Vom Abenteuer, einen Roman zu veröffentlichen - Arbeits- und Auszeit



Diesen Sommer verbringe ich am Motzener See in Brandenburg. Beizeiten stehe ich auf, checke meine Mails und die News am Laptop, setze meinen Tages-Post bei Instagram ab und schreibe an meinem nächsten Roman weiter. Einem Gegenwartsroman, auch wenn er im Jahr 1999 spielt. So lange schleppe ich die Idee dazu und den damals gemachten Anfang mit mir herum. Weil die Story reifen durfte, mein Protagonist jedoch nicht, ist es beim Jahrtausendende geblieben. Mit DM und allem Pipapo.
Im August oder September möchte ich mich mit der freiberuflichen Lektorin Maria Koettnitz treffen, damit sie mir ihre Meinung zum Exposé und den ersten 50 bereits überarbeiteten Seiten sagt. Na, mal sehen.
Ich betreibe also täglich bis nach Mittag mein einsames Schreibgeschäft, während meine Freundin ebenfalls zu tun hat. Dann bin ich durch, laufe bei schlechtem Wetter um den See oder gehe bei warmem schwimmen. Letzteres natürlich am liebsten. Während der Kopf dabei runterfährt, schwirren Libellen an mir vorbei, beobachte ich aus dem glitzernden Wasser heraus Möwen, Haubentaucher, Kormorane und Segelboote. Zuweilen zeigen sich auch zwei Schwäne mit ihrem Nachwuchs im Uferbereich. Oder hoch oben, unter den Wolken, einsame, ihre erhabenen Kreise ziehenden Fischadler. Einmal, als ich mir Urlaub vom Schreiben gönnte und morgens mit dem Ruderboot rausfuhr, um zu angeln, sah ich sogar einen riesigen toten Marmorkarpfen vorübertreiben, den ich zuerst für ein verwesendes Wildschwein hielt.
Am Spätnachmittag gehe ich mit meiner Freundin spazieren, radfahren, auf Fotosafari oder Pilze sammeln.



Abends kommen selbstgefangene, filetierte Barsche in die Pfanne oder Brandenburger Pfifferlinge für ein Risotto. Manchmal holen wir uns zum Salat mit Gartenkräutern einen frisch geräucherten Saibling von Peter, dem Fischer aus Kallinchen. Manchmal grillen wir, besuchen Freunde oder lassen vor dem Fernseher Fünfe gerade sein. Mal mit, mal ohne Anspruch, mal mit, mal ohne eiskalten Chardonnay im beschlagenen Weinglas. Das nennen wir, das nenne ich Luxus. Dieses Gesamtpaket aus Ruhe, Kreativität und Urlaub, aus Lesezeit und kulinarischen Genüssen. Und da wir klugen Kinder wissen, wie schnell auch dieser Sommer vorbei sein wird, genießen wir unsere Lebenszeit um so intensiver. Einschließlich solch zivilisatorischer Errungenschaften wie WLAN und Fliegengitter. Mein Protagonist von 1999 hat übrigens nicht einmal ein Handy.


Dienstag, 11. Juli 2017

176 | Instagram & Instagramer


Seit dreieinhalb Monaten poste ich ernsthaft bei Instagram. Anfangs jeden Morgen mit immer genau einem selbstgeschossenen Foto, später zwei, drei oder vier am Tag. Das Feedback ist unmittelbar und kommt größtenteils in der halben Stunde nach dem Posting. Wie das Leckerli für einen dressierten Pudel. Nur dass es statt „Leckerlis“ „Likes“ gibt - und manchmal einen Kommentar oder einen neuen Follower („Abbonenten“). Von denen - so meine erste Lektion - gibt es zwei Arten: Die, denen tatsächlich gefällt, was du mit 700 Millionen Usern teilst. Und die, welche einen Tag später wieder abspringen, nachdem du aus Dankbarkeit und Dummheit bei ihnen aufgesprungen bist.
Einige Instagramer posten ausschließlich Fotos von Blumen, andere Bilder ihrer Katze. Und wieder andere inszenieren Sonnenuntergänge oder Ähnliches. Das stelle ich mir anstrengend vor. Weil es die Vielfalt einem Prinzip unterwirft, das den eigenen Account - und somit die eigene Person - einzigartig erscheinen lassen soll. Was machen diese Instagramer, wenn Blumen verblüht, der Himmel bewölkt und die Katze weggelaufen ist?
Meine zweite Lektion bestand darin, zu erkennen, welche Fotos immer gehen und welche trotz eines gewissen Aufwands nur bedingt. So bekommt ein Streetart-Pic fast immer Applaus. Als sei man der Straßenkünstler himself und nicht der Paparazzo. Während ein gut recherchierter, knackig gehaltener Text unter dem Foto zuweilen kaum gelesen wird.
Streetart like ich selbst oft. Aber manchmal, vor allem, wenn ich das Bild zum x-ten Mal sehe, langweilt es mich. Genau wie Selfies oder totbearbeitete Wow-Sternenhimmel-Aufnahmen. Ich mag unprätentiöse Entdeckungen. Witzige Details, die untergegangen wären, hätte sie ein kluger Beobachter nicht festgehalten. Ich mag Fotos von Leuten, die einen Blick für Motive haben und etwas vom Fotografieren verstehen. Die Licht für sich arbeiten lassen und Unscheinbares zu Stars machen. Ich mag auch Sonnenuntergänge, wenn sie „das gewisse Etwas“, den „Zauber des Augenblicks“ verstrahlen. Oder wenn sie das Bekannte und oft Kopierte auf eine neue, einzigartige Weise erzählen.
Lektion Nummer drei: Missverständnisse. Heute Morgen postete ich einen Schnappschuss von gestern. Ein großes, um einen Bauzaun geschlungenes Drahtherz. Herzen sind zwar fast immer kitschig (und folglich gefällig), aber das da hatte etwas, wie es halb gefangen, halb befreit am Rande des Bauschutts lag. Also schnell mein Smartphone gezückt und ein Schwarzweiß-Bild gemacht. Anschließend die Überlegung: Welches Zitat passt dazu? Irgendwann fiel mir ein Moby-Song ein: „Why does my heart feel so bad?“
Meine Freundin, die ebenfalls bei Instagram hochlädt, wusste, dass sich mein Herz nicht schlecht fühlt. Mittlerweile weiß sie auch, dass man bei künstlerischen Arbeiten (Fotos mit Bildunterschriften zähle ich dazu) nicht von der kreativen Aussage auf die Befindlichkeit des Kreativen schließen darf. Nicht immer jedenfalls. Und dennoch: Sie sorgte sich - wie man sich früher wegen der Nachbarn sorgte -, was andere (Instagramer) davon halten könnten. Deshalb auch - als Richtigstellung - dieser Blog-Eintrag. So war ich nicht deprimiert, als ich aus einem melancholischen Hesse-Gedicht zitierte und denke nicht, „immer, wenn es regnet“, an eine Anna, die „von hinten wie von vorne“ --- Ich fand zwei Textauszüge einfach nur für zwei Fotos passend, nicht mehr und nicht weniger.
Alle Bilder werden dagegen mit dem unterschrieben, was mich einmal begeistert hat, leiden ließ oder zum Nachdenken brachte. Freundliche Grüße von persönlichen Erfahrungen und einer extrahierten Denkweise. Da soll sich nun einer zurechtfinden.
Der heutige Herz-Schmerz-Schnappschuss hat von all meinen bisherigen 235 Beiträgen übrigens die meisten Likes erhalten. Was mich einerseits freut. Aber verstehen muss ich es nicht.