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Mittwoch, 23. Februar 2005

076 | Knoblauchdackel vs. Trübsal

Draußen schneit es aschefein, während gleichzeitig Trübsal von den Dächern tropft. Wirkte alles nicht so schlimm, könnte der Himmel sich etwas blauer zeigen. Aber so. Durchhalten. Beim Marathon wären wir etwa bei Kilometer 25. Die nächste Etappe heißt "März". Vier Buchstaben, genau wie "Ziel". Und es riecht schon manchmal nach Frühling, aber uns wird nichts geschenkt. Einige knicken ein und schleppen sich mit Frust-Food auf die Fernseh-Couch, andere können sich zeitliche Abkürzungen über südlichere Umwege leisten. Konkret heißt das zum Beispiel: Freunde von mir sind gerade in Thailand und haben mir gestern Nachmittag im Sommeroutfit von einem Moped aus durch eine Straßen-Web-Cam zugewunken. Dann brausten sie easyrider weiter. Gemein. Kein Wunder, dass ich mich anschließend nicht auf den winterfetten Feuchtwanger-Roman konzentrieren konnte (da bin ich noch bei Kilometer 1).
Dass meine Topfpflanze neben dem Fernseher eingeht, ist auch nicht gerade erbaulich. Vielleicht ist das Trash-TV schuld. (Auch eine Art Frust-Food ohne Dünge-Effekt.) Aber warum soll es der Pflanze oder mir besser gehen als den meisten von euch? Zwischen Gähnen und Kaffetrinken gab es bei mir nicht wirklich viel zu erleben. Doch ich glaube, was uns in diesen Tagen vor der Winterdepression bewahrt, ist das gegenseitige Besuchen. Wer niemanden hat, den er besuchen oder empfangen kann, ist natürlich verloren wie jemand, der nachts keinen Schlaf findet. Er kann sich auch nicht mit Pseudo-Besuchen bei Dussmann oder Karstadt rausreden, auch nicht mit einer Stunde Mittagsschlaf, das zählt nicht. Für richtige Besuche muss man sich ausdauernder zivilisieren: die Wohnung herausputzen, halbtote Topfpflanzen entsorgen und Feuchtwanger-Romane wegstellen, damit es nicht so aussieht, als ob. Gestern Abend hörte ich von einem richtigen Besuch die wahre Geschichte eines Dackels, der immer alleine Bus fuhr und immer Knoblauch ins Futter bekam. Das eine hatte aber nichts mit dem anderen zu tun; ich meine, im Bus saßen wohl noch weitere Fahrgäste, trotz der Knoblauchausdünstungen. Der Dackel fuhr bloß ohne Herr- oder Frauchen. (Dabei würde mich einmal interessieren, ob man als Verantwortlicher für einen Hund als allein fahrendes Gewohnheitstier nicht auch zur Kasse gebeten werden könnte. Und ob man von einem Kontrolleur verlangen darf, sich auf alle Viere zu begeben, um Monatskarten an Hundehalsbändern zu überprüfen.)
Allein der Hund als Fahrgast wirkt schon - gern auch im doppelten Sinne - auf mich ziemlich abgefahren. Doch dann endete die krude Story damit, dass der Dackel eines Tages in den falschen Bus stieg. "Dann war er weg", sagte mein richtiger Besuch.
Ich weiß, das klingt hier nicht nach DER Pointe. Aber gestern fetzte mich die Geschichte schon nach 2 Gläsern Prosecco vor Lachen von der Couch. Und ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt so viele alberne Tränen rausgekichert habe. Ist das unter (leicht alkoholisierten) Umständen nicht ein ganz patentes Rezept gegen chronische Wintergebrechen, wenn TV & Co als Antibiotikum immer öfter versagt? Nämlich: richtiger Besuch als Prophylaxe und Knoblauchdackel bei akuten Beschwerden. Nur vor Überdosierung sei gewarnt.