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Sonntag, 14. Juni 2009

102 | Was kochen

Sonntagmittag in Berlin. Durch das gardinenlose Küchenfenster räkelt sich ein sommerlicher Strandhimmel. Blasse Häuser sonnen sich unter Urlaubsfliegern, dazwischen verliebte Linden. Sie swingen zu Van Morrisons „Brown Eyed Girl“:
„Standing in the sunlight laughing, / Hiding behind a rainbow's wall, / Slipping and sliding / All along the water fall, with you / My brown eyed girl, / You my brown eyed girl.“
Der Abend gestern war gut und lang. Der Tag ist schön wie du, denke ich. Morgen ist bis morgen egal.
Ich setze den Pastatopf auf und schneide Fleischwurst in kleine Würfel. Es gibt heute keinen Sonntagsbraten, nichts Aufwändiges. Es gibt Spaghetti. Unser Studentenessen, bei dem jeder Handgriff sitzt und die Gedanken spielen gehen dürfen.
„Laughing and a running hey, hey / Skipping and a jumping ...“
Die Würfel in Olivenöl anbraten, eine gehackte Zwiebel hinterher. Frisch gemörserten schwarzen Pfeffer, eine zerdrückte Knobi-Zehe und getrocknetes Oregano. Und etwas Salz. Und etwas Zucker. Und überhaupt.
„Do you remember when we used to sing, / Sha la la la la la la la la la la te da ...“ Dosentomaten drüber, gefrorene italienische Kräuter rein. Es blubbert im Topf, als wäre da was einverstanden und wolle mitsingen.
„Making love in the green grass / Behind the stadium with you / My brown eyed girl /You my brown eyed girl/ Do you remember when we used to sing / Sha la la la la la la la la la la te da.“
Ordentlich Salz ins Nudelwasser, die Spaghetti aus der Packung hinterhergekloppt. Und die Blubbersoße umgerührt. My brown eyed girl. Du schläfst nebenan und träumst von sommerlichen Strandhimmeln, die uns gehören. Der Abend gestern war lang.
Ich öffne das Fenster, vermenge die Nudeln mit einer Gabel, damit sie nicht wie wir aneinander kleben. Habe ich dir je gesagt, dass ich dich liebe? Dieser Tag ist so wunderbar einfach wie ein guter Song zum Kochen. Die Soße noch etwas nachsalzen und Parmesan reiben. Ich werde dich jetzt wachküssen, my brown eyed girl.