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Sonntag, 25. Oktober 2015

157 | Pow-Wow in Klasdorf


Gestern lud der Indian Summer noch einmal zum Pow-Wow in Brandenburgs Natur. Mich Großstadtkrieger zog es zuerst zum Wildpark Johannesmühle ins Baruther Urstromtal, wo es Pferde, Wölfe, freilaufende Hirsche und eingezäunte Büffel gibt.
Zoos stehe ich eigentlich skeptisch gegenüber, aber dass hier den Löwen und Bären vom liquidierten Staatszirkus der DDR Asyl geboten wurde, gefällt mir.
Auf dem über 100 Hektar großen Areal sind noch Reste des Kellergewölbes einer 1730 gebauten Wassermühle, der Johannesmühle, zu sehen. Auf deren Fundamenten errichtete man später ein Forsthaus, das in DDR-Tagen zum „Sonderjagdgebiet des Oberkommandierenden der Sowjetischen Streikräfte in Deutschland“ gehörte. Bis das Haus 1972 - zu Gunsten einer Wochenenddatsche und wechselnden Oberbefehlshabern - abgerissen wurde. Erst 1994, nach Abzug der Russen, konnte aus dem roten Jagdgebiet ein privat geführter familienfreundlicher Park werden.
Trotzdem kann man im angrenzenden "Kastaniengarten" oder "Waldschlösschen" erlegte Rehe, Hirsche oder Wildschweine essen, was mir nach einer großen Runde unter Kiefern und Ahorn gerade recht kam.
Zum Verdauungsspaziergang fuhr ich ins benachbarte Museumsdorf Glashütte, wo ich mir sanierte Fachwerkhäuser, einen historischen Backofen, einen auf eigene Gefahr zu betretenden Erdkeller und natürlich einen Glasbläser bei der Arbeit anschaute.
Glücklicherweise waren alle Busse mit Tagesgästen, die in den Kunstgewerbeläden oder im „Alten Dorfkonsum“ immer auch nach ihrer Vergangenheit suchen, bereits abgefahren. So konnte ich mir - nur von zwei Katzenjunge umlagert - im Reuner´schen Biergarten noch einen Glühwein gegen die aufkommende Kälte gönnen, bevor es auch mich heimwärts zog.

Sonntag, 11. Oktober 2015

156 | Heimat


Wegen einer zeitgemäßen Erkältung war ich gestern ein wenig kurzatmig in Brandenburgs Natur unterwegs. Am Himmel kein Wölkchen, auf der Erde nur Sonnenschein. Und der kühle Nachmittag hielt seinen Atem an, um die Deko-Wirkung der Landschaft als Stillleben zu präsentieren.
Ich spürte es ganz deutlich: Da war die letzte Ruhe vor dem nassgrauen Herbstwinter, der sich bis in den März hinein zieht. Also noch einmal farbsatte Eindrücke tanken inmitten durch- und beleuchteter Blätter, Moosgrün, roter Beeren und bunter Pilze.
Dabei erhabene Gedichtfragmente im verschnupften Hirn: von Holderlin („Ihr holden Schwäne ... Ins heilignüchterne Wasser“) bis Rilke („Befiehl den letzten Früchten voll zu sein“). Und immer wieder die innere Rückschau und Positionierung.

Dann die Heimkehr: Das Putzen letzter Maronen und Steinpilze, ein Thymianbad für die Bronchien und ein paar Seiten de Bruyn fürs Gemüt.
Schließlich die Zubereitung der Pilzpfanne, dieses abenteuerlich schlichten Kindheitsessens - mit Zwiebel- und Schinkenwürfeln, Pfeffer, Salz und Petersilie. Essen für Leib und Seele. Denn wo der Duft davon eine Küche erfüllt, wird man nicht nur satt - da ist immer auch Heimat.