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Sonntag, 13. Oktober 2019

216 | Letzter Tag und Abflug

Gestern stand ich wieder zeitig mit der Sonne auf, schrieb las und genoss die Terrassenruhe früher Vögel. Nach unserem späten Frühstück verbrachten wir viel Zeit an dem kleinen, aber feinen Hotelpool. Da der Melonen-Doughnut-Schwimmreifen inzwischen Luft verlor und schnorcheln im Becken öde ist, spielten wir erst mit dem Wasserball, dann machten wir Tauch- und Kraulwettbewerbe, bevor jeder ein Eis bekam.

Als die Sonne ihre Himmelsreise vollendet hatte, gingen wir ins „Ilios“, wo Andrea und ich geschmortes Zicklein aßen und die Jungs mit Irma und Sophie anschließend wieder Gassi gingen.


Als fast alle Gäste fort waren, hatten Susanne und Manolis Zeit, an unserem letzten Abend mit uns zu reden und sich von uns zu verabschieden, wobei kleine Tränchen kullerten. Neben Olivenöl und Honig bekam Andrea die letzte Handvoll Meeressalz geschenkt, die noch da war.
Heute früh um sechs hieß es dann aufstehen und um halb acht nach Heraklion aufbrechen. Nachdem der Mietwagen abgegeben war und wir eingecheckt hatten, hörte ich im Duty-free-Bereich ein wütendes Kleinkind brüllen, das von seinem Vater im Buggy herumgefahren wurde. Und obwohl es auch nach Hamburg, München oder sonstwohin hätte fliegen können, wusste ich: Es fliegt mit nach Berlin. Und es wird ganz in meiner Nähe sitzen. So ist es nämlich immer: Laute Kinder haben im Flugzeug ihren Platz vor, hinter oder neben mir. Der Kaffee-Mann vom Hinflug hatte auch so einen anstrengenden Sohn, der mir ebenfalls in der Wartehalle aufgefallen war. Da saß er vor mir auf dem Fußboden und im Flieger schräg vor mir am Fenster. Das Buggy-Kind, ein Mädchen, saß dann auf der anderen Seite des Mittelgangs in meiner Reihe. Dicht bei meinem einen Sohn, mit dem ich kurz zuvor fast noch die Plätze getauscht hätte. Die Kleine war während des Fluges erstaunlich still. Das heißt, sie legte erst eine halbe, dreiviertel Stunde vor Tegel mit beständigem Nein-Sagen und Wutgebrüll los, was meines Erachtens nichts mit dem Druckausgleich beim Landeanflug zu tun gehabt haben dürfte.

Da Berlin uns mit warmen 24°C empfing, konnten wir getrost in Shorts und T-Shirts aussteigen. Und wir konnten uns einbilden, neben Honig und Öl auch ein wenig vom Sommer mitgebracht zu haben.

Samstag, 12. Oktober 2019

215 | Stippvisite hinter Triopetra

Auf dem Weg zum Frühstücken entdeckten wir gestern im flachen Wasser des Strandes einen Kraken. Offenbar war er vor einem größeren Fisch geflüchtet, denn zwei seiner Arme waren halb weggefressen. Einige wollten an der gleichen Stelle einen Aal gesichtet haben. Vielleicht aber auch eine Muräne. Als ein Mann den Kraken kurz anhob, bespritzte das Tier ihn mit Wasser.
Einen zweiten Kraken entdeckte ich später beim Schnorcheln. Er war kleiner und hatte sich auf dem Meeresboden als Stein getarnt, um in Ruhe ein Nickerchen zu machen. Da waren wir am Lampi-Strand hinter Triopetra, wo ich drei Jahre zuvor bereits mit Andrea badete.
Den Jungs gefiel der Strand jedoch nicht. Zu grau und zu steinig. Schon als sie eine spirituell angehauchte Frau sahen, die aus dem Steinkreis trat, die Arme zum Himmel streckte und sich zum Horizont hin tief verneigte, machten sie dicht. Dass aktuell ein Paar in dem aufgeschichteten Steinhaus lebt, interessierte sie genausowenig.




Nach ein, zwei Stunden Rumgemaule, fuhren wir wieder zurück.
Den Jungs würde ein Pool, ein Zimmer mit W-LAN und Fastfood im Strandrestaurant vollkommen reichen. Für sie wäre Pauschalurlaub praktischerweise in Ordnung. Andrea und ich, die Individualtouristen, ticken da zum Glück anders. Wir lieben das Einfache, Ursprüngliche, das es zu entdecken gilt. Luxus ist für uns nicht der perfekte, sondern der leere Strand. Statt importierten Champagners kalter, regionaler Landwein. Dazu gegrillten Schwertfisch. Zum Beispiel.
Was uns am „Onar“, wo wir abends wieder waren (und Schwertfisch aßen), so gefällt, ist zuerst natürlich das Essen. Aber dann auch die Art des Personals. Dort sind die Kellner nicht nur des Trinkgeldes wegen freundlich. Sie nehmen sich Zeit für ihre Gäste, und man merkt, dass sie ihren Job gern machen.
Bei unserer Ankunft letzten Sonntag, war Agia Galini noch gut von Urlaubern besucht. Doch gestern merkten wir, wie es sich mittlerweile lichtet. Einige Strandcafés und Bars bleiben leer, die untergehende Sonne findet kaum noch Beachtung. Nur zwei Fischerboote folgten ihr, als sollte ihr glühendes Gold mit Netzen eingefangen werden.
Noch hat sich der Sommer auf Kreta niedergelassen. Aber bald schon wird er Richtung Afrika aufbrechen und die letzten Touristen zur Festung Europa zurückkehren. Bald werden die Nächte kühler und der Wind wie ein stürmischer Hirte Regenwolken vor sich hertreiben. Damit die Kellner im geschlossenen „Onar“ durchatmen können – und mit ihren Familien das Saisonende feiern.
Wie gern würde ich von Herbst bis zum Frühjahr auf Kreta bleiben. Schreiben, mit Andrea spazieren gehen und mit Manolis zum Jagen oder Fischen fahren. Gestern fing er einen kleinen Thunfisch, sagte er, als wir ihn und Susanne kurz besuchten. Und als ich ihm den gefilmten Kraken vom Strand zeigte, wunderte er sich, warum ich das Tier nicht zu ihm in die Küche gebracht hatte.
Ach ja, Agia Galini ist so ganz nach unserem Geschmack. Nächstes Jahr im Oktober wollen Andrea und ich aber mal eine andere Ecke der Insel kennenlernen, den Südwesten vielleicht. Wieder für eine Woche und wieder ohne Kinder.

Freitag, 11. Oktober 2019

214 | In den Tag gelebt

Vom gestrigen Tag habe ich rein gar nichts zu berichten. Denn ich gönnte mir den Luxus, zwischen den Mahlzeiten einfach nur mein Buch zu lesen und zu dösen, wenn die Augen schwer wurden. Einfach nichts tun. Einfach Urlaub.


Die Zwillinge waren immerhin am Pool, und Andrea drehte mit ihrem Sohn eine Runde am Strand und am Hafen. Doch auch für sie galt: dolce vita, glykiá zoí.
Die erträgliche Leichtigkeit eines Ferientages mit unterlegter Cocktail-Bar-Ambient-Musik.


Donnerstag, 10. Oktober 2019

213 | Red Beach

Gestern begann der Tag sehr sanftmütig. Als ich mich um sechs mit einer Tasse Kaffee auf die Terrasse setzte und mir vorstellte, dass Manolis im selben Moment zur (leider glücklosen) Jagd aufbricht, standen noch die Sterne am wolkenlosen Nachthimmel. Ein Satellit zog eilig an ihnen vorbei, die ersten Zikaden zirpten, verschlafen rollten kleine Wellen gegen den Strand. Kurze Zeit später ein Lichtstreif im Osten. Erst gelb, dann rot – von der im Bergland aufgehenden Sonne.
Gegen sieben brummte ein Mofa die Straße entlang, erwachten Vögel und Menschen. Milchiges Licht ergoss sich über die Meeresbucht und den Küstenstreifen dahinter.
Und dann, ganz plötzlich, war der Himmel so strahlend blau wie ein Versprechen. Bis zehn saß ich mit meinem Buch im Liegestuhl neben der Terrassenmauer, sah deren Schatten wegschmelzen, spürte, wie die Temperatur nach oben kletterte. An diesem und an den folgenden Tagen würde es bis 29/30°C warm werden. Also Andrea und die Jungs geweckt und nichts wie ab nach Matala, auf zum Red Beach!
Das hatten sich andere auch gedacht. Vor dem Strandparkplatz staute es sich, und sogar auf dem Campingplatz dahinter waren alle Parkmöglichkeiten ausgeschöpft. Erst, nachdem Andrea eine Mülltonne beiseite geschoben hatte, tat sich eine Lücke für unseren Mietwagen auf.
Zwei Landwege führen zum Red Beach. Einer beginnt hinter kostenpflichtigen PKW-Stellplätzen und ist nur für Kletterfreunde geeignet. Der andere, etwas längere, an einer Betontreppe hinter Matalas Häusern, oberhalb der Platia. Je nachdem, ob man unterwegs Fotopausen einlegt, dauert die Strecke 20 bis 30 beschwerliche Minuten. Dann möchte man nur noch ins Wasser oder an Yanni´s Bar etwas Kaltes trinken. Die Aussicht aber vom höchsten Punkt ist beeindruckend: rechts unten die Höhlen von Matala, links oben an der fernen Küste: Agia Galini, so klein wie ein Möwenschiss.

Für Andrea rechtfertigt der Strand den mühsamen Auf- und Abstieg in keinster Weise. Auch bei meinen Jungs und mir war viel vom ursprünglichen Zauber verflogen. Vermutlich, weil der Red Beach uns diesmal zu voll war. Trotzdem hatten wir Spaß – beim Tauchen oder mit unserem Gummiball und dem Melonen-Doughnut-Schwimmreifen.


An einem Strandabschnitt gibt es Unterwasserfelsen, wo es sich gut schnorcheln lässt. Im klaren Wasser beobachtete ich hand- und fußgroße Fische, die wie Kraken ihre Tarnfarben an- und ausknipsen können. Und als ich wieder auftauchte, entdeckte ich eine hinter unserem Liegeplatz stehende Ziege. In etwa dort, wo kreative Besucher Miniaturköpfe aus Ton geformt hatten, von denen zwei verlorene Brillen trugen.

Während ich an der Felswand vom Red Beach wieder Fotos von den Strandskulpturen und -reliefs machte, bemerkte ich eine FKK-Gruppe, die sich mit grünbraunem Schlamm komplett eingeschmiert hatte. Aus Jux, aus Sonnenschutzgründen oder als Hippie-Ritual. Wie Oger auf der Suche nach Shrek und Fiona standen sie da und genossen die Aufmerksamkeit.




Nach einer nicht weniger anstrengenden Rücktour kamen wir gegen achtzehn Uhr in Agia Galini an. Für den Abend hatte ich einen Fünfertisch im „Onar“ reserviert. Wieder im Roof Garden, mit perfektem Blick auf den Hafen. Ach ja, was gibt es Besseres, als nach so einem Strandtag frisch geduscht im Restaurant zu sitzen, kaltes Bier zu trinken und gegrillte Dorade zu essen?! Das lässt sich nur von dem Moment toppen, wenn man später in sein kühllakiges Bettchen kriecht.

Mittwoch, 9. Oktober 2019

212 | Gammeltag in Galini

Gestern ließen wir es frei nach dem Motto „Sigá, sigá!“ („Langsam, langsam!“) mehr als entspannt angehen. Das Aufstehen wollte wohlüberlegt sein, und so zogen wir erst mittags zum Frühstücken los. Anschließend bummelten wir ohne ernsthaftes Kaufinteresse durch Agia Galinis Shopping-Gassen.

Ich machte noch ein paar Fotos vom Hafen, die sich kaum von denen der vergangenen Jahre unterscheiden, aber immer wieder nett anzuschauen sind.



Über den Bergen hing der Regenwolkennachschub, und die feuchtwarme Luft ermüdete beim Laufen. Also ein wenig Siesta im Appartementzimmer, bevor es ins Wasser ging. Zuerst ins Meer, das mir salziger als sonst vorkam und das vom Wellengang so trüb war, dass ich beim Schnorcheln nicht mal die Hand vor Augen sah. Immerhin konnten wir uns beinahe so mühelos wie im Toten Meer an der Oberfläche treiben lassen und unsere ausgestreckten Füße betrachten.
Danach gingen wir zum Pool, wo die Jungs in und durch ihren Badereifen sprangen, der wie ein Wassermelonen-Doughnut aussieht. Ich las im T.-C.-Boyle-Roman weiter und gönnte mir eine weitere Runde Powernapping, während Andrea per Smartphone Kontakte pflegte.
Als wir abends zum „Ilios“ schlenderten, saß Manolis bei zwei Einheimischen am Tisch und knackte Walnüsse. Nur mit Daumen und Zeigefinger einer Hand! Wir bestellten Hühnchen mit Okraschoten und Rinder-Stifado, dazu kalten Weißwein und Alfa-Bier im geeisten Glas. Was ein Luxusleben! Andreas Sohn ging mit Irma Gassi und Manolis kündigte an, dass er mit seinem neuen Hund am nächsten Morgen zur Jagd wolle. Um sechs. Wenn ich Lust habe, könne ich mitkommen. Ein verlockender Gedanke, denn das Frühaufstehen macht mir ja nichts aus. Doch ich habe keine passende Kleidung mit, vor allem keine Wanderschuhe. Zu Andreas Sohn sagte Manolis später: „In five years, if you´re a big man, you come with hunting.“ Er tat so, als würde er mit einem Gewehr schießen. „With Irma.“
Der Elfjährige lächelte freundlich und nickte. Gefragt, was er denn verstanden habe, sagte er: „In fünf Jahren kann ich mitkommen, wenn Irma erschossen wird.“ O Gott, nein!

Unseren Gammeltag beendeten wir einmal mehr auf der Terrasse. Mit Kerzenlicht und Weißwein, „Hotel California“ und „It never rains in Southern California“. Diese Sehnsuchtsmusik funktioniert nämlich auch hier.

Dienstag, 8. Oktober 2019

211 | Regentag in Matala

Nach einem obligatorischen Frühstück am Hafen fuhren wir gestern Mittag nach Matala. Im Rucksack Badesachen, Taucherbrille und eine Wasserflasche – alles, was man für einen entspannten Nachmittag am Red Beach braucht. Die dicken Wolken am Himmel würden sich schon verziehen, dachten wir. Denn am Meer ändere sich das Wetter stündlich, und laut Wetter-App regne es – wenn überhaupt – erst abends. Doch es regnete, kurz nachdem wir im alten Hippie-Touri-Dörfchen angekommen waren.
Zum Glück schlenderten wir gerade durch einen der langweiligen Souvenirläden, um nach einer Bauchtasche Ausschau zu halten und hatten uns noch nicht auf den halbstündigen Fußmarsch gemacht. Der Red Beach musste also warten.
Sobald es zu regnen aufgehört hatte, bummelten wir im alten Ortskern die nass glänzenden bemalten Wege und überdachten Ladengässchen entlang, die alle zum Hauptplatz, der Platia, führen.




Weil sämtliche im Freien stehenden Tische und Stühle nass waren, gingen wir eben für einen Imbiss in eine der Tavernen. Anschließend, als wir schon auf dem Weg zum Auto waren, entdeckte Andrea einen Fish Spa. Da sie das mit den Knabberfischchen immer schon ausprobieren wollte, überredete sie die Jungs, die Füße mal eine halbe Stunde lang baumeln zu lassen, und zwar in Aquarien. Ist ja schließlich Urlaub.
Die Vier hatten sichtlichen Spaß. Wie Kohlensäure prickelte es wohl. Und hinterher fühlte sich die Haut so sanft und geschmeidig wie bei Babys an.
Wieder in Agia Galini gingen wir zum Abendessen ins „Onar“ – vom „Ilios“ abgesehen unserem Lieblingsrestaurant. Wir stiegen nach ganz oben, in den Roof Garden, bestellten gegrillten Schwertfisch und Scampi und waren mit allem wieder sehr zufrieden. Mit fast allem. Denn dass es keine frittierten Auberginen mehr als warme Vorspeise gibt, war mehr als schade. Und dass eine deutsche Reisegruppe dermaßen laut an ihrem 20-Personen-Tisch war, machte uns regelrecht wütend.
Zu Susanne und Manolis schafften wir es wegen längerer Wartezeiten hinterher nicht. Außerdem stand uns der Sinn mehr nach Terrasse und leiser Laptop-Musik.

Als es später erneut heftig zu regnen begann (und zu blitzen und zu donnern!), zogen wir uns auf unsere Betten zurück. Andrea und ich schauten auf dem Lappi noch einen Film, die Jungs tauchten mit Handys und Kopfhörern in ihre W-LAN-Welten ab. – Was ja auch ohne Strand und Taucherbrille immer gut funktioniert.