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Samstag, 29. März 2008

092 | In ein paar Tagen

Sicher, in ein paar Tagen, spätestens Wochen, sitzen wir sonnenverwöhnt im Straßencafé und genießen das wie erste kulinarische Genüsse der Saison. Dann tragen wir fast beiläufig unsere Sonnenbrillen und unsere Wirkung auf andere zur Schau. Sind voller Selbstwert- und Frühlingsgefühl, voller Sinnlichkeit und Pheromonen.
Aber jetzt? Sind wir Wartende, denen man es nicht ansieht. Wir laufen im blinden Aktionismus durch windige Straßen, fühlen das kaum noch auszuhaltende Bedürfnis, uns verlieben zu wollen wie Tom Hanks und Meg Ryan. Genau so.
Aber wir gleichen Hugh Grant in „Notting Hill“, der zu Bill Withers „Ain't No Sunshine” und Al Greens “How Can You Mend a Broken Heart?” durch London irrt.
Wir zweifeln, sind auf der Suche nach dem, was wir nicht festhalten konnten, in Berlin, Stuttgart oder Osnabrück. Wir wollen vergessen und leiden darunter, dass wir es nicht können; warten auf die Zeit, die uns dabei helfen muss.
Wir haben die Aura von Unberührbaren und suchen unser Heil im Chat. Oft sind wir bereits morgens müde, zählen abends Jahre und vertane Chancen durch und stellen gleich alles in Frage. Nachts gehen wir trotzdem viel zu spät ins Bett. Wer kann auch schon schlafen, wenn er wie Hugh Grant leidet.
Aber ganz sicher: In ein paar Tagen, spätestens Wochen, sind wir voller Frühlingsgefühl. Dann wird alles anders. Wie jedes Jahr.

Mittwoch, 26. März 2008

Damals, als ich glücklich war

Damals, als ich glücklich war,
Kam der wilde Wein
Uns in den Sinn,
Fielen die Gedanken
Wie wertlose Groschen
Zum Tanz der Moleküle.

Wir lachten über Clowns,
Die es ernst meinten,
Erfanden uns
Eigene Götter,
Bauten ein Haus
Für sie und uns
In erfüllten Räumen.

Bücher wurden unlesbar,
Maltest du mit Himbeereis
Ein Herz ans Fenster.
Wir tasteten Horizonte ab
Und entdeckten uns dahinter.

Im Herbst kultivierten wir
Den wilden Wein
Für eine bessere Ernte,
Weil die Bienen,
Die wir streicheln wollten,
Noch für uns schwärmten.

Noch grünte der Ahorn,
Noch bäumte sich die Sonne auf.
Wir waren geblendet wie Ikarus,
Damals, als ich glücklich war.

Heute fällt die Erinnerung
Allabendlich ein,
Schließt mit jedem Glas Wein
Leise eine Tür,
Dreht sich der Raum
Langsam zur Neige.

Samstag, 22. März 2008

Verdrossenheit

Der Februar versprach mir das Blaue vom Himmel,
Der März schickte wieder nur Schnee.
Die Landschaft bedeckt sich mit nasskaltem Schimmel,
Damit ich vor Sehnsucht vergeh´.

Was knospet und sprießt, ist der Rede nicht wert.
Der Himmel bleibt wortbrüchig grau.
Und wenn jemand über die Frühblüher fährt,
Dann interessiert´s keine Sau.

Der Frühling ist diesjahr ein einziger Flop.
Nur Kirschblüten leuchten so satt
Wie billigster Kitsch aus dem Asia-Shop,
Den keiner gern kauft, aber hat.

Ein klein wenig Sonne, ein klein wenig Liebe -
Und alles wird schön wie vor Jahren:
Die Landschaft, der Kitsch und die hungrigen Triebe;
Selbst die, die wir still überfahren.

Donnerstag, 20. März 2008

Das Gefühl ist klüger als der Verstand,
Sagtest du,

Als ich nicht verstand,
Warum du mich verlässt.

Klug erklären konntest du es kaum.
Klug war auch nicht, was ich fühlte.

Es tat nur weh.

Sonntag, 16. März 2008

Bleibende Bilder

Sind wie entwertete Briefmarken, mein Freund,
Abgelöste Zeichen
von Ansichtenkarten und Abschiedsbriefen.
Sammlerstücke in weißgepresster Faust,
Die ich hilflos bleibend öffne, wenn der Wind geht.

Klebende Bilder, nicht von der Hand zu weisen
Von verblasener Luft .
Verschwommen und wertlos sind sie;
Vergilbte Antworten winden sich bei Flauten.
Nur die Fragen, mein Freund, bleiben stets frisch

Und gehen retour.