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Sonntag, 28. Oktober 2018

199 | Rücktour

Unser Pensionswirt meinte, wir könnten uns Zeit lassen mit dem Auschecken. Und so gingen wir gestern ein letztes Mal entspannt am Hafen frühstücken, dann zum Verabschieden ins „Ilios“.
Manolis war gerade von der Jagd zurückgekehrt. Die Gräser und Büsche seien zu hoch gewesen, sagte er, wodurch etliche Hasen fliehen konnten. Einen hatte er jedoch erwischt und ihm bereits, wie wir in der Küche sahen, das Fell abgezogen. Für Vegetarier sicher kein schöner Anblick. Aber Pilze hatte Manolis auch aus den Bergen mitgebracht.
Er trank noch seinen Frappé aus, rauchte eine letzte E-Zigarette, umarmte uns herzlich und ging geschafft schlafen. Susanne hielt es noch ein wenig mit uns aus. Auch sie freute sich auf das Saisonende, wenn sie wieder zum Lesen und E-Mail-Schreiben kommt, zum Besuchen und Empfangen von Freunden.
Während wir an Cola und Sprite mit Eiswürfeln nippten, ging draußen ein jugendlich wirkender Mann vorbei. Ein 26-jähriger Pakistani, wie Susanne sagte. Er arbeite für einen Obst- und Gemüseladen oben in der Straße, liefere Orangen in Restaurants oder hole leere Gasflaschen von Cafés ab. Immer fröhlich und freundlich winkend. Immer dankbar für das, was das Leben ihm bot. Dabei habe er hier keine Familie und als Flüchtling nur einen unbestimmten Aufenthaltsstatus. Und das bisschen Geld, was er verdiene, schicke er ausnahmslos in die alte Heimat. Ganz anders dagegen die beiden jungen Griechinnen, die heute früh gackernd am Nachbartisch saßen, sich ständig schminkten und die Kellnerin beim Bezahlen nicht einmal ansahen. Menschenschicksale.
Nachdem wir auch Susanne fest gedrückt hatten und vor 14.00 Uhr abfuhren, gingen die Zwillinge noch einmal schnorcheln. Das Wetter war einfach zu schön, wie auch eine auf dem Weg sitzende Gottesanbeterin fand.
Und dann saßen wir auch schon wie letztes Jahr in Agia Varvara in „unserem Imbiss“ und aßen köstliche Gyros- und Souvlaki-Pita. Außer Notfall-Keksen würde es bis spät abends ja nichts mehr geben.
Tanken mussten wir ebenfalls noch. Nur was? Benzin oder Diesel? Auf dem Mietwagen-Zettel, wo es normalerweise vermerkt wird, stand nichts dazu. Laut Handschufach-Bordbuch sollten wir Diesel nehmen, doch das wollte der Service-Mann nicht recht glauben und startete den alten Citroen Jumpy, um den Motor zu hören.
„Benzine!“, behauptete er und lachte.
„Are you shure?“, fragte ich.
Erst da fiel mir auf, dass wir ein Bordbuch von Fiat dabei hatten. Aber der Mann nickte.
„Benzine, benzine!“
„And if that not true?“
„Boom!“, machte er und lachte weiter.
Obwohl der Tank noch zu einem Viertel voll war, musste ich wegen der hohen griechischen Benzinpreise und Besteuerung fast glatte 100 € zahlen.
Auf der Weiterfahrt nach Heraklion machte es nicht „Boom!“. Das teure Benzin schien also die richtige Entscheidung gewesen zu sein. Bei der Auto-Rückgabe gab es auch keine Probleme. Dass die Schlösser der nur manuell abzuschließenden Türen ausgeleiert waren und das Bordbuch fehl am Platz, sagte ich nicht. Dass wir über der Sichtblende einen Fotoapparat gefunden hatten, ebenfalls nicht. In Berlin werde ich die Besitzer, die ihren Fotos nach auch in Thailand gewesen sein mussten, über Facebook ausfindig zu machen versuchen. Denn wer weiß, ob die Leute von der Autovermietung die Kamera am Ende nicht behalten hätten.
Dann wechselte ich am Flughafen die Hose von kurz auf lang, gab mit den Jungs die Koffer ab und checkte uns ein. Zum Glück waren die nervigen Umbauarbeiten beendet und das Flughafengebäude machte endlich einen angenehmeren Eindruck. Vor dem Abflug gab es eine halbe Stunde Wartezeit, weil man in Tegel, wo der Eurowings-Flieger herkam, getrödelt hatte. Die machte der Pilot aber bis auf zehn Minuten wieder gut. Und das trotz leichter Turbulenzen. Somit konnte uns Andrea gegen 22.00 Uhr freudestrahlend in die Arme schließen.
Unser einhelliges Fazit: Ein super Urlaub ganz nach unserem Geschmack.

Samstag, 27. Oktober 2018

198 | Noch einmal Matala

Der gestrige Morgen begrüßte uns mit wolkenfreiem Himmel. Und mit der Nachricht, dass es in Westgriechenland ein Seebeben gegeben hat. Zum Glück nicht bei uns. Hier gab es zwar nach dem Frühstück im ganzen Ort kein Wasser mehr, und am Vorabend war zweimal kurz der Strom ausgefallen. Doch das lag an den vergangenen Böen und Regenfällen.
Für unseren letzten ganzen Tag hatte der Wetterbericht windstille 22°C angesagt, und wir wollten auf jeden Fall irgendwo an den Strand. Nur wo? Der Prevele Beach war laut Internet eine einzige Enttäuschung. Außerdem lag er ziemlich weitab. Und der Strand von Triopetra? Zu steinig. Am Ende wollten die Jungs noch einmal nach Matala.
Vorher reservierten wir bei Susanne den Tisch unter der Sonne für abends, während Manolis draußen fischte. Anschließend gingen wir hoch zu den Ikarus- und Daedalus-Statuen und dann zur Pension, wo wir das mit dem Wasser feststellten. Was soll´s, sagten wir uns, auf nach Matala, denn „Today is life, tomorrow never comes.“

Die Regenfälle hatten vor zwei Tagen den vor dem Parkplatz endenden trockenen Bachlauf in ein reißendes Flüsschen verwandelt und mittig einen Strandabschnitt ins Meer gespült. Wir stellten den Wagen besser wieder oberhalb ab, auf dem Campingplatz-Gelände. Dann ging es mit Taucherbrille und Schnorchel ins Meer.


Doch das Wasser war zu milchig-trüb, die Sicht an Land umso besser: Zwei Rentnerpaare aus Deutschland hatten sich bis ganz nach vorn gewagt. Mit Hütchen, langen Sachen und Rucksäcken standen sie wie Völkerkundler unter den Halbnackten. Die Herren mit riesigen Fotoapparaten vor den Bäuchen, die Frauen mit gut gemeinten Ratschlägen („Kremple doch deine Schuhe hoch!“ sic!), bevor sie von einer frech auflaufenden Welle umspült wurden.
Später, nachdem wir die Handtücher, Taucherbrille und Wasserflasche zum Auto gebracht hatten, zogen wir einmal mehr durch den Ort, wo die Jungs schlecht schmeckende, mit kaltem Knorpelfleisch gefüllte Gyros-Pita aßen.
Zufällig entdeckten wir hinter einem Haus den Weg zum Red Beach, an dem ich noch nie war. Ich hatte nur im Internet darüber gelesen. In Flipflops folgten wir blauen Pfeilen und weißen Punkten bergauf und stellten fest, dass Matalas zweiter Strand nicht gleich hinter der Felswand liegt.
Der alte Hippie-Trail führte uns an einer bewohnt aussehenden Höhle und aufgeschichteten Steinhaufen vorbei. Immer aufwärts und dann wieder abwärts, bis wir nach einer halben Stunde an einem etwa 300 m langen geröllfreien Uferbereich mit blauen Schirmchen und einer bunt bemalten Bar ankamen. Der Bar von Janis, wie wir lesen konnten, der für 9,- € „best Mojitos“ anbot.
So anstrengend der Weg auch war, gelohnt hat er sich auf jeden Fall. Die Jungs kürten den weichen rotbraunen Sandstrand mit seiner malerischen Brandung und dem hellblau klaren Wasser zum schönsten überhaupt. Blöd nur, dass wir keine Taucherbrille mehr dabei hatten.


Auch jetzt, Ende Oktober, war der Red Beach gut besucht, aber nicht zu voll. Die rechte Strandhälfte gehörte den FKK-Freunden. Dahinter, vor einer riesigen Sandsteinwand, hatten Künstler Reliefs und Skulpturen aus Felsbrocken gearbeitet. Sie schienen über jede Menge Zeit verfügt zu haben und somit über das Wissen, was wahrer Luxus ist. Vierzig, fünfzig Jahre früher fühlte sich das Leben hier sicher noch wie ein einziger endloser Sommer an. Schade, dass ich 1992, als ich das erste Mal auf Kreta war und in Matala campte, keine Ahnung von diesem Strand hatte. Aber für uns Heutige stand fest: Wir kommen auf jeden Fall wieder, wenn wir im nächsten Herbst erneut auf unserer Lieblingsinsel sind.
Den Tag beschlossen wir mit Rinder-Stifado, 4-5 Stunden gegartem Zicklein, das morgens geschlachtet wurde, und Hackfleischbällchen auf mediterranem Kartoffelsalat selbstverständlich im „Ilios“. Manolis war von seiner vielen Arbeit kaputt: früh mit dem Boot raus (wieder nichts gefangen), mittags das Ziegengulasch zubereitet, abends mit Susanne gekocht und gekellnert. Und dann wollte er am nächsten Morgen zur Jagd gehen. Natürlich liebt er es, doch so ein Programm drei Jahre ohne Urlaub durchzuziehen, ist hart.

Als Abschiedsgeschenk bekamen wir eine schwere Tüte voll Honig, Olivenöl, Bergkräutertee und Raki mit, worüber Andrea sich auch freuen darf. So eine Tüte ist neben schönen Erinnerungen wohl das Beste, was man sich von Kreta mitnehmen kann.

Freitag, 26. Oktober 2018

197 | Rethymnon

Beim Frühstück am Hafen war es gestern schön sonnig, aber auch sehr windig. Und auf ganz Kreta sollte es laut Wetterbericht nicht wärmer als 17 bis 18°C werden. Um zu baden, worauf wir Lust hatten, nicht gerade ideal. Also beschlossen wir, nach Norden zu fahren und dem Großen die Hafenstadt Rethymnon zu zeigen. Aber erst nach Mittag, wenn es sich da oben laut WetterApp ausgeregnet hätte.

Unterwegs in den Bergen waren wieder riesige aufsitzende Wolkenmassen zu sehen und dramatisch angestrahlte Gipfel. Ließen die Böen, die uns auf den Serpentinen schlingern ließen, nach, begann es zu nieseln.
Die Jungs hatten vor, in Rethymnon schwimmen zu gehen und bereits bloß Badehosen und – bis auf den Großen – Flipflops an. Einem der Zwillinge fiel jedoch ein, dass er seine Jacke vergessen hatte, weshalb er an der Strandpromenade, wo wir parkten, meine bekam. Ich lief also in T-Shirt und Shorts zwischen gut verpackten Leuten herum und mein vergesslicher Sohn war mir für alle Zeiten dankbar.
Ans Schwimmen war natürlich nicht zu denken. Dafür war allein die Brandung zu stark. Das Wetter war genau wie im letzten Jahr, nur dass es nicht (mehr) regnete. Wir schlenderten durch windgeschützte Straßen der Altstadt entgegen, aßen etwas in einem Gyros-, Pizza-Laden und besahen uns Geschäfte.


Die venezianisch-osmanisch geprägten Häuser waren teilweise saniert und teilweise in verheerendem Zustand. Vor dem venezianischen Hafen schlossen wir erneut Wetten ab, wie viele Kellner uns ansprechen würden, um uns in ihre Restaurants zu locken. Der Gewinner sollte von den übrigen Dreien je einen Euro bekommen. Doch nur einmal angesprochen zu werden, damit hatte keiner gerechnet. Und am Ende gingen wir freiwillig in ein Lokal, um uns mit Tee und heißer weißer Schokolade aufzuwärmen.
Pünktlich zum Einbruch der Dämmerung waren wir in Agia Galini zurück und zogen zum Essen ins „Onar“. Unser Lieblingskellner schnappte sich eines der immer mitgeschleppten Kombolois, setzte sich hin, legte die Beine hoch und demonstrierte den Jungs, auf welche Haltung es bei diesem Fingerspiel ankäme: cooler Altherren-Gesichtsausdruck, (imaginären) Schnurrbart zwirbeln und die Umgebung hochmütig scannen. Der Mann war lustig und ging mit seiner entschleunigten Art maßgeschneidert auch auf die anderen Gäste ein. Kein Abspulen ewig gleicher Sprüche wie bei Stochos´ Evi. Die Zwillinge bestellten Chicken-Souvláki, mein Großer und ich die Fischplatte für zwei Personen. Davor, ein Muss im „Onar“, frittierte Auberginen. Das Fischessen begann mit Fischeintopf, der hervorragend schmeckte. Danach war ich im Grunde schon satt. Aber mich erwarteten noch eine frittierte Sardine, eine Rotbarbe und ein unbekannter Fisch, gebratenes Doradenfilet und ein Stück gegrillter Thun- und Schwertfisch. Und Kartoffeln mit gegrillter Paprika. Und ein Stück Schokokuchen als Abschluss. Der Raki, der uns zweimal nachgeschenkt wurde, war so willkommen wie lange nicht, doch der aufwärts zur Pension führende Weg eine einzige Qual.

Für unsere Freunde aus dem „Ilios“ waren wir an diesem Abend zu satt und zu kaputt. Wir setzten uns nur noch bei leiser Laptop-Musik auf die Terrasse und nutzten unsere Jungs-Zeit für gute Jungs-Gespräche.

Donnerstag, 25. Oktober 2018

196 | Regentag

Gestern hat es den ganzen Vormittag über geregnet. Gegen halb elf, als es mal nur tröpfelte, gingen wir zum Frühstücken an den Hafen. Und danach? Ein kurzer Bummel durch den Ort und eine Tischreservierung bei Manolis. Eigentlich wollte er um sechs in die Berge zur Jagd, aber nicht, wenn die unbefestigten Straßen nass sind. Wir verstanden und zogen uns zurück in die Zimmer, wo gerade die Putzfrau wischte. Als sie weg war, chillten wir bis zum Nachmittag.
Die Jungs übten mit den Kombolois und stöberten im Internet, ich las „Good Home“-Storys von T.C. Boyle. Dann schlenderten wir noch einmal runter, um in einem Straßencafé etwas zu trinken und die Touristen zu beobachten, die auch keinen rechten Tagesplan zu haben schienen. Aber auch das ist Urlaub: einfach mal nichts machen und sich treiben lassen. Wo sollten wir auch hin? Das Regengebiet hatte laut WetterApp die ganze Insel im Griff.


Um sechs, als einige letzte Sonnenstrahlen durchkamen, zogen wir erneut zum Hafen, machten Fotos und begaben uns ins „Ilios“. Meine Zwillinge ließen sich von Susanne Penne mit Hackfleischbällchen zubereiten, ich nahm die letzte Hasenportion und mein Großer Zicklein. Davor gab es Tzatziki mit Brot, danach Weintrauben und Raki.
Manolis hatte Schmerzen. Er litt unter Mikroorganismen, wie Susanne erklärte, die immer kurz vor dem Aufplatzen weh tun. Armer Manolis. Bei unserer Ankunft am Sonntag hatte er Zahnschmerzen. Doch am nächsten Tag war alles gut, da er sich den Zahn mit einer Zange selbst gezogen hatte. Keine Ahnung, ob das stimmte. Zuzutrauen wäre es ihm auf jeden Fall.
Bevor wir gingen, bat mein Großer einen am Nebentisch sitzenden alten Einheimischen namens Dimitri, ein Handy-Foto von uns zu machen. Dimitri stand auf, ließ sich erklären, wo er rauftippen musste und setzte seine Brille ab. Dann hielt er sich eine ganze Weile das Smartphone vors Gesicht, und seine wässrigen, leicht schielenden Augen verglichen immer wieder das angezeigte Bild mit uns Statisten dahinter. Als wir das Foto zu sehen bekamen, war es unscharf. Und als Dimitri seine Brille aufgesetzt hatte und sich das Handy geben ließ, um sich das Bild selbst anzuschauen, kam er ans Kreuz und löschte es.

Mittwoch, 24. Oktober 2018

195 | Mit dem Boot nach Agios Pavlos

Weil Susanne gerade draußen war, ging Manolis an ihr Handy. Er klang wortkarg, da er noch keinen Kaffee getrunken hatte. Wortkarg und unentschlossen, was die Angeltour betraf. Denn einige Regenfelder hielten sich hartnäckig über Kretas Südküste. Schließlich meinte er aber, wir sollten kommen. Und so waren mein Ältester und ich eine Viertelstunde später im „Ilios“, wo Susanne uns Kaffee machte und wir was unterwegs beim Bäcker Gekauftes aßen. Meinen Zwillingen hatte ich Geld dagelassen, damit sie richtig frühstücken gehen können.
Gegen halb zehn liefen wir mit der kleinen „Galini“ aus. Manolis hatte zwei meiner Metallköder mitgenommen und an kräftigen Schnüren befestigt. Er wollte also schleppangeln und ließ die beiden an Bord befindlichen Ruten links liegen. Während wir von Agia Galini nach Agios Pavlos fuhren, wurden die Köder im Abstand von sieben bis zehn Metern hinter dem motorbetriebenen Boot hinterhergezogen. Sollte ein Fisch anbeißen, wäre eine an der Schnur befestigte, etwas mit Wasser gefüllte Cola-Flasche über Bord gegangen, um im Meer als Miniboje die Fangposition zu verraten. Aber – um es kurz zu machen – wir hatten während der gut drei Stunden, die wir draußen waren, nicht einen einzigen Biss.

„No fish“, sagte Manolis immer wieder kopfschüttelnd. Im September sah es da ganz anders aus. Auch ein anderer Fischer, dem wir unterwegs begegneten, hatte keinen Erfolg. So ist das eben, mal beißen sie und mal nicht; als Süßwasser-Angler weiß ich das nur zu gut. Doch weder meinem Sohn noch mir machte es viel aus. Wir waren das erste Mal zum Fischen auf dem Meer und sogen alle Eindrücke auf: die zerklüftete Küste mit den Höhlen und Grotten, wo Schmuggler einst Unterschlupf fanden. Die Paximadia-Inseln am Horizont, den Wind und den Seegang, sogar den zeitweiligen Regen. Und Manolis als Skipper natürlich, der mit seiner Mütze und seinem weißen Bart wie ein isländischer Seebär aussah oder wie Hemingway höchstpersönlich.
Den Elementen ausgesetzt zu sein, erinnerte uns daran, wie schön und aufregend das Leben ist und wie unbedeutend man selbst. Und dann tauchten plötzlich vier Delfine auf und mit ihnen möglicherweise der Grund für die Fischlosigkeit.
„Ihr seid Glückskinder“, sagte Susanne später an Land, die in ihren sechzehn Kreta-Jahren noch nie Delfine zu Gesicht bekam.

Nachdem die Jungs uns im Hafen abgeholt hatten, tranken wir Frappé und Cola bei ihr, dann zogen wir zum Baden an den Strand.
Bevor wir abends essen gingen, kauften sich die Jungs im Supermarkt ihre Kombolois, die zwischen drei und sieben Euro kosteten. Anschließend bestellten wir beim „Stochos“ Knoblauchbrot, frittierte Auberginen mit Feta, Tzatziki und Klefteki – im verschlossenen Lehmofen gebackenes Fleisch vom Lamm und Huhn. Es schmeckte gut, war aber nicht wie im „Ilios“ mit Liebe gemacht. Und Evi, die den Laden schmeißende Tochter der Stochos-Familie nervte mit ihrer hyperaktiven Show-Art und dem Abspulen von Phrasen („Welcome to Paradise“, „Dab-dadada-dab-damdam“). Also ab zu Susanne und Manolis.

Diesmal hatten sie von Anfang an für uns Zeit. Manolis zeigte den Jungs, wie artistisch man das Komboloi schwingt, musste dafür aber je zwei überzählige herabbaumelnde Dekokugeln abschneiden. Gegen zweiundzwanzig Uhr ging es zur Pension zurück, wo wir bei Vollmond auf der Terrasse saßen mit Andrea facetimeten und noch etwas tranken. Als ich mich bettfein machte, tanzten sie zu Mikis Theodorakis´ Musik vom Handy Sirtaki. Óppa! Und Jamas! auf meine drei Burschen.

Dienstag, 23. Oktober 2018

194 | Matala und Komos-Beach

Unser Hafen-Frühstück gestern war sehr gut. Das wussten sicher auch die vielen älteren Festlandgriechen, die plötzlich aus einem Bus stiegen und sich lautstark wie Stare um uns herum niederließen. In Matala waren vor allem abgeschlafft wirkende Pauschaltouristen aus Mitteleuropa unterwegs. Viele von ihnen sahen die auf den Asphalt gemalten Flower-Power-Motive nicht einmal. Ihr Blick galt allein den Ich-war-hier-Souveniren der Straßenhändler und den Imbiss-Aushängen diverser Fast-Food-Läden. Doch ich wusste, was mich erwartet, und meinen Jungs war der deprimierende Touri-Rummel egal. Sie trugen den rechten Spirit in sich und hatten Spaß – beim Witzeln, Quatschfotos-Machen und Baden.

Das einzige, was sie kaufen wollten, waren die von älteren Kretern in der Hand gehaltenen Kombolois. Denn die, so mein Großer, könne man mindestens so cool schlenkern wie Moritz Bleibtreu das Schlüsselband in „Soul Kittchen“. Na mal schauen, ob sie in diesem Urlaub irgendwo von ihren persönlichen Fingerkettchen angesprochen werden.
Als Matala abgelaufen war, kauften wir bloß eine Taucherbrille mit Schnorchel und fuhren zum Komos-Beach, um kleine Seezungen oder andere Plattfische unter Wasser zu beobachten.



Frisch geduscht aßen wir abends gegrillten Schwertfisch und frittierte Auberginen im „Onar“. Dann ging es, bevor der Regen kam, zu Susanne und Manolis, wo bis auf einen kleinen alle Tische besetzt waren. Die zwei hatten ordentlich zu tun und erst gegen zehn Zeit, sich zu uns zu setzen. Falls das Meer heute ruhig ist, hatten wir mit Manolis vereinbart, nimmt er meinen Großen und mich zum Fischen mit raus. Um acht soll ich deswegen bei Susanne anrufen. Ich bin gespannt!

Montag, 22. Oktober 2018

193 | Zurück auf Kreta

Gestern flog ich mit meinen drei Söhnen (23, 14, 14) auf meine Lieblingsinsel. Um zehn waren wir in Heraklion und gegen zwölf mit dem Mietauto in Agia Galini.
Kaum hatten wir in der Pension Stelios eingecheckt – zwei Zimmer mit Terrassenzugang und traumhaftem Blick über die Bucht – gingen wir runter zum Baden. Wie herrlich, sich ein wenig Sommer zurückzuerobern! Dem Großen gefällt Agia auch sehr, was ich natürlich hoffte.

Nach dem Duschen spazierten wir zum Hafen, schauten uns die Fischerboote an und tranken unser erstes Urlaubs-Mythos. Leider nicht im „Ilios“, weil Susanne und Manolis noch Siesta hielten. Susanne und Hundedame Sophie sahen wir erst gegen 16.30 Uhr. Sie brachte uns vier frisch gezapfte Alpha-Biere in geeisten Halblitergläsern, bekam ein paar Gastgeschenke (Bücher, Kartenspiel) und berichtete uns von der auslaufenden Saison: Da es in Deutschland diesen Sommer über so heiß war, kamen weniger Urlauber als sonst. Zu tun gab es dennoch genug. Und ihre Kafenion-Neueröffnung in Sakturia verschiebt sich auf 2020, aber das wusste ich bereits.
Manolis, dem ich verschiedene Metallköder zum Angeln mitbrachte, begrüßte ich erst am Abend zum Essen. Er hatte sich einen Bart stehen lassen und sah aus wie Alexis Sorbas. Morgens war er jagen und hatte Pilze mitgebracht, die wie Austernseitlinge aussahen und in einer großen Schale lagen. Wie ich diese Ursprünglichkeit liebe!
Meine Zwillinge aßen Pastitsio, eine Art Mousaka mit Schweine-Lammhack und Makkaroni, der Große und ich gedünstetes Zicklein mit Kartoffeln. Fast alle Terrassentische waren reserviert. Wir bekamen auf Wunsch den, wo ich mit Andrea im Frühling immer gesessen hatte. Per Facetime ließ ich sie kurz daran teilhaben, was sie, Susanne und Manolis sehr freute.
Alt wurden die Jungs und ich an unserem ersten Abend allerdings nicht. Zu sehr fehlte der Schlaf aus der Anreisenacht. Auch jetzt, beim Schreiben, schläft noch alles.

Nach dem Frühstück am Hafen wollen wir nach Matala fahren.