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Mittwoch, 24. Oktober 2018

195 | Mit dem Boot nach Agios Pavlos

Weil Susanne gerade draußen war, ging Manolis an ihr Handy. Er klang wortkarg, da er noch keinen Kaffee getrunken hatte. Wortkarg und unentschlossen, was die Angeltour betraf. Denn einige Regenfelder hielten sich hartnäckig über Kretas Südküste. Schließlich meinte er aber, wir sollten kommen. Und so waren mein Ältester und ich eine Viertelstunde später im „Ilios“, wo Susanne uns Kaffee machte und wir was unterwegs beim Bäcker Gekauftes aßen. Meinen Zwillingen hatte ich Geld dagelassen, damit sie richtig frühstücken gehen können.
Gegen halb zehn liefen wir mit der kleinen „Galini“ aus. Manolis hatte zwei meiner Metallköder mitgenommen und an kräftigen Schnüren befestigt. Er wollte also schleppangeln und ließ die beiden an Bord befindlichen Ruten links liegen. Während wir von Agia Galini nach Agios Pavlos fuhren, wurden die Köder im Abstand von sieben bis zehn Metern hinter dem motorbetriebenen Boot hinterhergezogen. Sollte ein Fisch anbeißen, wäre eine an der Schnur befestigte, etwas mit Wasser gefüllte Cola-Flasche über Bord gegangen, um im Meer als Miniboje die Fangposition zu verraten. Aber – um es kurz zu machen – wir hatten während der gut drei Stunden, die wir draußen waren, nicht einen einzigen Biss.

„No fish“, sagte Manolis immer wieder kopfschüttelnd. Im September sah es da ganz anders aus. Auch ein anderer Fischer, dem wir unterwegs begegneten, hatte keinen Erfolg. So ist das eben, mal beißen sie und mal nicht; als Süßwasser-Angler weiß ich das nur zu gut. Doch weder meinem Sohn noch mir machte es viel aus. Wir waren das erste Mal zum Fischen auf dem Meer und sogen alle Eindrücke auf: die zerklüftete Küste mit den Höhlen und Grotten, wo Schmuggler einst Unterschlupf fanden. Die Paximadia-Inseln am Horizont, den Wind und den Seegang, sogar den zeitweiligen Regen. Und Manolis als Skipper natürlich, der mit seiner Mütze und seinem weißen Bart wie ein isländischer Seebär aussah oder wie Hemingway höchstpersönlich.
Den Elementen ausgesetzt zu sein, erinnerte uns daran, wie schön und aufregend das Leben ist und wie unbedeutend man selbst. Und dann tauchten plötzlich vier Delfine auf und mit ihnen möglicherweise der Grund für die Fischlosigkeit.
„Ihr seid Glückskinder“, sagte Susanne später an Land, die in ihren sechzehn Kreta-Jahren noch nie Delfine zu Gesicht bekam.

Nachdem die Jungs uns im Hafen abgeholt hatten, tranken wir Frappé und Cola bei ihr, dann zogen wir zum Baden an den Strand.
Bevor wir abends essen gingen, kauften sich die Jungs im Supermarkt ihre Kombolois, die zwischen drei und sieben Euro kosteten. Anschließend bestellten wir beim „Stochos“ Knoblauchbrot, frittierte Auberginen mit Feta, Tzatziki und Klefteki – im verschlossenen Lehmofen gebackenes Fleisch vom Lamm und Huhn. Es schmeckte gut, war aber nicht wie im „Ilios“ mit Liebe gemacht. Und Evi, die den Laden schmeißende Tochter der Stochos-Familie nervte mit ihrer hyperaktiven Show-Art und dem Abspulen von Phrasen („Welcome to Paradise“, „Dab-dadada-dab-damdam“). Also ab zu Susanne und Manolis.

Diesmal hatten sie von Anfang an für uns Zeit. Manolis zeigte den Jungs, wie artistisch man das Komboloi schwingt, musste dafür aber je zwei überzählige herabbaumelnde Dekokugeln abschneiden. Gegen zweiundzwanzig Uhr ging es zur Pension zurück, wo wir bei Vollmond auf der Terrasse saßen mit Andrea facetimeten und noch etwas tranken. Als ich mich bettfein machte, tanzten sie zu Mikis Theodorakis´ Musik vom Handy Sirtaki. Óppa! Und Jamas! auf meine drei Burschen.

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