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Sonntag, 26. Juni 2016

162 | Vom Abenteuer, einen Roman zu veröffentlichen - Selfpublishing


Von den fünf Verlagen hatte sich lediglich Heyne gemeldet. Ganz professionell mit Empfangsbestätigung und freundlicher Standartabsage. So wie es sein sollte. Was die anderen angeht, hält sich mittlerweile mein Medienkrisen-Mitleid in Grenzen.
Also Selfpublishing. Neudeutsch für Selbstvermarktung. Etwas, das ich ursprünglich nicht vorhatte. Schon weil bei einem klassischen Buchverlag mit Qualitätskontrolle die Spreu vom Weizen getrennt wird. Weil ich zum Weizen gehören wollte und Selfpublishing im Grunde jeder kann. Doch auch Leser erkennen - um im Getreide-Bild zu bleiben -, was unterhaltungsmäßig satt macht. Und wenn kein Weg zur Mühle führt, wird eben zu Hause gemahlen. 
Selfpublisher war ich schon: 1992 und 2002. Beide Male mit Gedichten, für die ich keinen Verlag fand. 1992 hatte ich für gut zwei Dutzend von ihnen im Selbstverlag 1000,- DM bezahlt. Titel des Heftchens: „Das Läuten meiner Narrenschellen“. Die höre ich heute noch, wenn ich an meine Jugendsünde zurückdenke. Es klingt wie zum Fenster rausgeworfene Münzen ... Zwanzig Jahre später entschloss ich mich bei einem Umzug, die letzten ungeöffneten Kartons aus der Druckerei zu entsorgen. Auch deshalb, weil nicht mehr als zwei, drei Gedichte die Zeit überdauert hatten.
2002 bezahlte ich für dreizehn in Flyer-Heftchen herausgegebene neue Gedichte kaum etwas. Nur die Kopierkosten. Doch der Traum, etwas dafür zu bekommen, war ebenfalls schnell ausgeträumt. Dabei waren die Gedichte diesmal wirklich gut. Aber sollte ich mich damit neben die Frau vom Bahnhof stellen, die für ein paar Cent Blümchen feilbietet? Oder wie ein reimender Motz-Verkäufer durch S-Bahn-Züge schlurfen?
Die heutige Möglichkeit, Texte als E-Books unter die Leute zu bringen, ist ein Quantensprung. Da ziehen sogar etablierte Verlage wie Droemer Knaur mit, der 2010 neobooks gründete.
Tipps und Grundlagen für Selfpublisher-Neueinsteiger erhielt ich vor allem bei www.selfpublisherbibel.de, einer von Matthias Matting gegründeten Internet-Seite. Die Idee, „Viriditas“ in sechs Teile zu splitten und bei amazon, dem größten E-Book-Distributor, hochzuladen, hatte ich jedoch schon vorher.
Gibt es einen Haken beim Selfpublishing? Nein. Aber Nachteile: Alle Rechte gehen an die entsprechenden Plattformen über. Nur nicht bei amazon. Dafür lassen sich dort sämtliche E-Books bloß mit Kindle-E-Book-Readern oder Kindle-Apps lesen. Und als Selfmademan muss ich selbst für die Vermarktung sorgen, was mich Schreibzeit kostet.
Dennoch überwiegen für mich klar die Vorteile. Denn ohne Selfpublishing als Alternative hätte ich neun Jahre lang für die Schublade geschrieben. Und falls mein Projekt anläuft und seine Leser findet, besteht immer auch die Chance, von den Scouts eines traditionellen Verlages entdeckt zu werden. Wie von denen, die ich Anfang März 2016 anschrieb. Gleichzeitig - Plan B! - bat ich eine Grafikdesignerin, mir für „Viriditas“ ein Buch-Cover zu gestalten. Ich wollte ein Tattoo-Motiv (Sonne mit Triskele) in sechs verschiedenen Farben. Mitte Juni, als die Verlagsfrist verstrichen war, stellten wir den 1. Teil „Der Teufelsbackofen“ online, was ich sehr aufregend fand. Da ich vorhabe, schreibend nicht nur das fantastische Genre zu bedienen, wählte ich ein Pseudonym: Johannes Tiber.
Meine Grafikdesignerin war die erste Käuferin. Schließlich wollte sie sehen, ob auch alles funktionierte. Das tat es. Nur ließ sich der Verkauf in der ersten Woche schleppend an. Weil natürlich keiner von dem Buch wusste und es in den Tausender-Bereich rutschte. Wie die Nadel im Heuhaufen.
Sechs Tage, nachdem „Der Teufelsbackofen“ bei Amazon hochgeladen war, ging ich in den Park, um dafür ein kleines Autorenvideo zu drehen. Als Vorlesestelle hatte ich die Blitzschlag-Szene ausgesucht. Und genau wie im Buch, zogen Gewitterwolken auf. Dann der erste Blitz und Donnerschlag. Ich war beeindruckt! Das waren Grüße von Brigid!
Die dramatische Kulisse hätte für den Film ruhig noch etwas in der Schwebe bleiben können. Aber es begann heftig zu regnen. Also klitschnass nach Hause, umziehen und den Dreh im Arbeitszimmer von vorn beginnen.
Ob das zehnminütige Video etwas bringt, kann ich nicht sagen. Aber ich werde auf jeden Fall darüber berichten.

(Fortsetzung folgt)

Zum 1. Teil von "Viriditas"

Samstag, 25. Juni 2016

161 | Vom Abenteuer, einen Roman zu veröffentlichen - Agenturen und Verlage


Wer sein mit Herzblut gesättigtes „Text-Baby“ klassisch veröffentlichen möchte, wendet sich direkt an einen Verlag. Sinnvoller ist es wohl, eine Agentur zwischenzuschalten. Die bekommt durchschnittlich 15 % des Autorenhonorars, handelt dafür aber auch bessere Konditionen aus. Das leuchtete mir ein.
Im Internet fand ich schnell Listen mit seriösen Agenturen. Darunter etliche, die auch Fantasy vertreten. Ein nettes Anschreiben, eine Leseprobe und ein Exposé waren schnell gemacht. Dann die Gretchen-Frage: einzelne oder mehrere Agenturen kontaktieren? Bei einer Bearbeitungszeit von bis zu drei Monaten fiel mir die Entscheidung leicht: Ich wandte mich an alle relevanten Berliner Agenturen. Der kurzen Wege wegen. Auch an eine, die sich auf skandinavische Belletristik spezialisiert hatte und beim Erstkontakt angerufen werden wollte.
Vor meinem Telefonat machte ich mir Notizen. Bloß nicht dilettantisch wirken. Als ich der Agentur-Chefin den Inhalt des Romans umreißen sollte, kam ich dennoch ins Stottern. Doch ich wurde verstanden und die Agenturchefin war an einer Leseprobe interessiert. Einige Tage später schrieb sie:
„Am Wochenende habe ich die Textprobe gelesen, die Sie mir netterweise gesendet hatten - und die hat meine Neugierde geweckt, so dass ich gern weiterlesen würde. Die beiden Hauptfiguren gefallen mir, Ihre Sprache ist wunderbar, und der Auftakt der Geschichte macht neugierig - würden Sie mir den gesamten Roman zusenden und mir ca. vier Wochen Zeit zum Lesen geben?“
Aber natürlich! Ich brachte „mein Baby“ sogar persönlich vorbei, mit jetzt ausgedrucktem Exposé und der Kurzvita.
Die Chefin war freundlich und freute sich auf die Lektüre, und soweit lief alles nach Plan. Nur blöd, dass ich nach den angekündigten vier Wochen keine Antwort von ihr erhielt. Aber ich wusste von einem Umzug in neu angemietete Büroräume; außerdem stand Weihnachten vor der Tür.
Am 6. Januar meldete sich eine Agentur-Praktikantin als Co-Leserin und erbat sich für das Manuskript ein Exposé. Aber das hatte ich doch mitgeschickt und mitgegeben! Na schön, das Umzugschaos. Per Mail bekam auch sie eines und ich war gespannt, wie mein Manuskript von der Chefin und ihr beurteilt werden würde.
Abermals verstrichen einige Wochen. Sechs, um genau zu sein. Dann meldete sich eine dritte Frau per E-Mail:
„Sie hatten der Agentur (...) im Herbst letzten Jahres Ihr Romanmanuskript "Viriditas" zugeschickt, vielen Dank dafür. Leider kamen wir wegen personeller Veränderungen erst jetzt dazu, dieses ausführlich zu prüfen. Ich muss Ihnen sagen, dass ich Ihr Buch gerne geprüft habe, aber doch von einer Vertretung durch unsere Agentur absehen möchte. Das soll keine Wertung sein, die Entscheidung beruht darauf, dass ich Ihren Text aus verschiedenen Gründen für schwer vermittelbar halte. Vor allem liegt dies an der inhaltlichen Ausrichtung: Durch die Zeitreise-Thematik bedingt hat er viele Elemente des historischen Romans, dies ist leider aber im Jugendbuch ein äußerst schwieriges Genre, wo die meisten Verlage eher verhalten sind. Zudem ist es mit zwei männlichen Protagonisten eher an die männliche jugendliche Zielgruppe ab 14 gerichtet, auch das ist im Jugendbuch ein Bereich, in dem verhältnismäßig wenig Verkäufe zu erwarten sind. Außerdem haben wir es mit einer etwas komplizierten Ausrichtung der Figuren zu tun: Patrick und Jakob sind 23, sie sind Studenten, und damit leider von der Lebenswelt der Zielgruppe doch sehr weit entfernt, noch mehr sogar, wenn sich später herausstellt, dass Jakob gleichzeitig sogar schon Vater ist. Dies alles sind Faktoren, die eine Vermittlung von vornherein schwer machen. Hinzu kommt, dass insgesamt eine Überarbeitung nötig wäre, der Roman müsste meines Erachtens nach um einige allzu ausgeschmückte Szenen gekürzt werden, um insgesamt die Handlung schneller zum Punkt kommen zu lassen und den doch recht hohen Umfang von fast 450 Seiten zu straffen. Auch sprachlich wäre eine Überarbeitung sinnvoll, um z.B. die Trennung von moderner Sprache und der Sprache des 16. Jahrhunderts noch konsequenter zu halten. Obwohl Ihr Schreibstil auch den Mitlesern hier in der Agentur durchaus gut gefallen hat, so möchte ich Ihnen wegen der beschriebenen Gründe für dieses vorliegende Projekt doch absagen. Für Ihren weiteren Weg wünsche ich Ihnen trotzdem auf jeden Fall alles Gute, mit freundlichen Grüßen (...)“
Von der Chefin und ihrer Praktikantin hörte ich nie wieder. Von der dritten Dame, deren konstruktive Kritik ich selbstverständlich annahm, auch nicht. Dabei verwirrte mich allerdings, dass sie von einem „Jugendbuch“ sprach. Als solches hatte ich mein Manuskript nie angekündigt. Seltsam. Und wie soll man die „Trennung von Sprache“ erreichen, wenn jemand aus der Gegenwart ins 16. Jahrhundert reist? Noch seltsamer. Immerhin bekam ich eine Ahnung davon, wie wichtig Leser- und Marktanalysen für den Bücherverkauf sind. Schließlich geht es um viel Geld.
Wegen der Seitenanzahl und geforderten Kürzung, die um 150 Seiten ja bereits erfolgt war, dachte ich mir: Die nächste Agentur wird den Wert meines „Rohdiamanten“ schon erkennen und von ihrem Lektor aufpolieren lassen. So schrieb ich guten Mutes weitere Literaturagenten an, drei auf Wunsch sogar postalisch. Vierzig waren es insgesamt, verteilt auf den gesamten deutschen Sprachraum. Einige große reagierten nicht, doch die meisten „prüften gerne“ mein „Projekt“.
Nach ein bis zwei Monaten kamen die Absagen. Das ernüchterte und sorgte für Zweifel. Was, wenn mich keine Agentur vertreten würde? Wie groß wäre dann meine Chance, direkt bei einem Verlag zu landen?
Nicht sehr groß, erfuhr ich bei einem Schreibseminar, das ich in der leidigen Wartezeit besuchte. Von den jährlich unverlangt eingesandten dreitausend Manuskripten (!) pro Verlag würde kaum mehr als eines (!) veröffentlicht. Weil Verlagsprogramme im Schnitt nur acht freie Plätze für Publikationen vorsähen. Von denen gingen fünf an Hausautoren und ein bis zwei an zu übersetzende Neuentdeckung von der Buchmesse. Tja, und die ein bis zwei „Projekte“ von No-Names (am besten Thriller oder Politkrimis) müssten schon sehr, sehr gut sein. Die Zeiten, wo Manuskripte von einem Lektor liebevoll optimiert wurden, wären längst vorbei. Bedauerlich, wenn dann noch ein Debüt mit Bestseller-Potential ausgesiebt würde, weil das Anschreiben fehlerhaft sei oder das Exposé unprofessionell daher käme.
So also sah die Wirklichkeit eines hart umkämpften Marktes aus. Und ich hatte immer gedacht, es käme allein auf das Werk an. Aber schön, ein letztes Mal wollte ich es wissen und schickte fünf großen Verlagen mit Fantasy-Programm per Post eine Leseprobe mit optimiertem Exposé: Heyne, S. Fischer, Klett-Cotta, Bastei-Lübbe und Aufbau. Für die Anschreiben, hatte man mir beim Seminar empfohlen, sollte ich mich mit dem aktuellen Verlagsprogramm vertraut machen und unbedingt telefonisch die „konkreten Ansprechpartner“ herausfinden. Bloß kein „Sehr geehrte Damen und Herren“, damit hätte ich bereits verloren. Empfangssekretärinnen gäben in der Regel bereitwillig Auskunft.
Das stimmte, letzten Endes klappte es aber nur bei Klett-Cotta. Denn keine Sekretärin konnte voraussagen, auf wessen Schreibtisch mein A-4-Umschlag landen würde. Dafür gäbe es in den großen Verlagen einfach zu viele Lektorate.
Drei Monate, las ich auf den Homepages, würde ich wieder warten müssen. Doch da ich mir kaum Erfolg ausrechnete, wollte ich die Zeit sinnvoll nutzen und Plan B vorbereiten: am offenen Ende von „Viriditas“ weiterschreiben und die geplanten 600 Normseiten als E-Book anbieten.

(Fortsetzung folgt)

Zum 1. Teil von "Viriditas"

Dienstag, 21. Juni 2016

160 | Vom Abenteuer, einen Roman zu veröffentlichen - das Schreiben


An einem Roman zu schreiben, ist keine Kunst. Ihn gut werden zu lassen und zu beenden, schon. Dazu gehört eine Grundidee, von der man zutiefst überzeugt ist, die Beherrschung des Schreibhandwerks und sehr viel Ausdauer. Vor allem bei der Überarbeitung.
Meinen ersten Roman begann ich mit Ende zwanzig, kam aber nicht über 50 Seiten hinaus. Erst fehlte die Zeit, dann die Motivation.
Meinen zweiten ersten Roman begann ich vor etwa 9 Jahren als Drehbuch. Ich wollte etwas Neues ausprobieren. Dabei hatte ich weder Ahnung vom szenischen Aufbau noch eine Idee, worum es in dem Skript überhaupt gehen sollte. So blinkte der Cursor meines Laptops im Sekundentakt auf dem leeren Textdokument, während ich mein Gehirn nach Brauchbarem durchforschte. Dabei fiel mir ein Erlebnis aus meiner späten Kindheit ein: Ich war dreizehn und mit meinem Vater und dessen Arbeitskollegen am Kölpinsee zum Fischen. Mit Hilfe eines Ruderbootes hatten wir über Nacht eine Aalschnur gelegt, eine etwa 60 Meter lange Angelsehne, von der mehrere beköderte Hakenschnüre abzweigten. Das eine Schnurende wurde am Ufer befestigt, das andere an einer geleerten und wieder mit Seewasser aufgefüllten Bierflasche, die wir draußen versenkten. Das Ganze war zwar schon damals verboten, aber wen kümmerte es, wenn die Chance, endlich mit Aal heimzukehren, steigt. Zu kaufen gab es im Osten ja keinen.
Doch als wollte uns Petrus, der alte Angler- und Wetterpatron, für den Frevel bestrafen, schickte er grummelnde Gewitterwolken über den See, als wir morgens zu dritt rausfuhren, um die Schnur einzuholen.
An den ersten Haken hingen ein, zwei Barsche, ein untermaßiger Aal und die nicht angerührten Tauwürmer. Dann ließ Petrus die Hauptsehne reißen.
Ein paar Mal zog mein Vater den Blinker seiner Spinnangel über den Boden, um an die zweite Hälfte der Aalschnur zu gelangen. Aber es war zu krautig und somit aussichtslos. Außerdem zuckte bereits der erste Blitz im Wolkengedöns auf.
„Rudern wir zurück“, meinte der Arbeitskollege.
Zurück? Ohne den ganz großen Fang? Das konnte ich nicht zulassen! „Ich gehe rein und tauche“, sagte ich.
Während die Männer noch überlegten, ob das eine gute Idee war, zog ich mich aus und ließ mich vorsichtig ins Wasser gleiten. Ich schwamm über die Unglücksstelle und tauchte vier-, fünf-, sechsmal zum Grund ab, ohne mir großartig Zeit zum Luftholen zu nehmen. Denn was, wenn ich zurück ins Boot muss, bevor ich die Schnur zu fassen kriege? Oder, schlimmer noch: wenn der nächste Blitz in den See einschlägt?!
Zum Glück schlug er nicht ein, Petrus war mir gnädig. Und tatsächlich ertastete ich da unten die präparierte Sehne, an der noch zwei Prachtburschen hingen. Ich war der Held und durfte einen der Aale behalten.
Daran erinnerte ich mich also vor neun Jahren. Und so wurde diese Geschichte zur ersten meiner beiden „magischen Grundzutaten“. Die zweite war ein Artikel über das „Voynich-Manuskript“, den ich zuvor in einer Zeitschrift gelesen hatte. Darin ging es um ein rätselhaftes Buch aus dem  15. Jahrhundert, dessen Schrift bis heute nicht entschlüsselt werden konnte.
Als beide „Zutaten“ zusammenkamen, schlug doch noch der Blitz ein, nur ohne Getöse. Es war Teilchenentladung und Befruchtung in einem. Und es entstand etwas völlig Neues. Etwas, das so voller Eigendynamik steckte, dass es als Idee schon immer da gewesen sein musste. So kam es mir zumindest rückblickend vor. Da waren historische und fiktive Personen, die ich zum Leben erweckte, und Orte, die von einem zum anderen führten. Es gab Zeitsprünge und trotz allem eine innere, sich aufbauende und abrundende Logik. Allein der Gedanke, wie ich meine Story enden lasse, bereitete mir Sorgen.
Dann waren Jahr und Drehbuch zu drei Vierteln fertig. Anfang Oktober packte ich meinen Laptop und Lebensmittel für eine Woche ins Auto und fuhr aufs Land. In Nehringen, einem Grenz-Dörfchen zwischen Mecklenburg und Vorpommern, hatte ich mich in eine sanierte Bauernkate eingemietet, wo ich von morgens bis mittags schrieb. Nachmittags machte ich Spaziergänge an der Trebel und abends las ich Fontanes „Stechlin“. Es war einfach herrlich. Vor allem, als mich auf einem meiner Ausflüge das Ende der Geschichte anwehte.

Das fertige Drehbuch schickte ich an „X Filme“ und zwei weitere Filmproduktionsfirmen. Man würde in Deutschland, England und Tschechien drehen müssen, so viel war klar. Und dass mein Film, der „Viriditas“ heißen sollte, das Potential hatte, um mit Holywood-Blockbustern zu konkurrieren.
Nach drei Standartabsagen meinte ein Bekannter, dass man als „No Name“ ohnehin keine Chance habe. Die vom Film würden aus finanziellen Gründen unnötige Risiken scheuen und nur Skripts von Profis umsetzen. Es läge also nicht an meiner Arbeit.
Einer aus der Branche sah das genauso und empfahl mir, einen Roman aus dem Stoff zu machen. Daraus könne im besten Falle wieder die Vorlage für einen Film werden.
Einen Roman also. Das hieß: sämtliche Dialoge mit Gedanken, Gefühlen und Beschreibungen anzureichern, kurz: Butter bei die Fische zu geben. Dazu, stellte ich schnell fest, reichte es nicht mehr, mir beispielsweise die Nikolai-Kirche von Grevesmühlen im Internet anzusehen. Dafür musste ich hinfahren und sie betreten.
Meine erste Recherche-Reise war die zweite großartige Erfahrung, die mir das Schreiben ermöglichte. Ich folgte meinem Protagonisten durch die Bebel-Straße, aß wie er auf dem Marktplatz ein Fischbrötchen, saß mit ihm im „Teufelsbackofen“ und badete im Tressower See, wo ich auf dem Papier jenen Blitz einschlagen ließ, vor dem ich mich am Kölpinsee gefürchtet hatte. Ich befand mich wie in einer realen Filmkulisse, die ich, der Schöpfer meiner Buchwelt, erfunden, aber ein weitaus größerer Schöpfer aufgebaut hatte.
An meinem Romanprojekt arbeitete ich mehrere Jahre, da ich einem anderen Projekt Vorrang geben musste. Die Überarbeitung dauerte ein weiteres Jahr. Ich kürzte, feilte, machte neu und druckte schlussendlich 444 Normseiten aus. Es war das pure Glück!
Meine Zweitleser waren zufrieden, nur der Schluss gefiel ihnen nicht. Der war offen und verlangte nach einer Fortsetzung, meinten sie. Die komme, versprach ich. Wenn das Vorhandene seine Leser findet.

(Fortsetzung folgt)

Zum 1. Teil von "Viriditas"