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Samstag, 17. November 2001

mein glück stinkt wie ein hund bei regen

mein glück stinkt wie ein hund bei regen,
wie felle, die in gräben schwimmen.
lass mich noch einmal zu dir legen,
versuchen wir uns umzustimmen.

du zupfst die saiten meiner seele
fast lustlos, doch du spielst mit mir.
der mollton, den ich nicht verhehle,
streckt sich gequält nach dur und dir.

und nach verflossnem leckt mein mund,
nach dem nun aufgeweichten platz,
der heimat war. Gräbt dort dein hund
nach unserem geheimen schatz?

anstatt zu zählen, was uns bliebe,
zerstreust du gläserne brillanten
ins opfermoor vergangner liebe,
worüber wir einst lachend rannten.

bei uns verschied der tod vor neid,
der alltag lag des nachts im sterben,
ich schwängerte die ewigkeit,
du wolltest ihr vermögen erben.

wir liebten uns zum standesamt,
doch planten nichts als jeden tag,
sechs jahre wohl so insgesamt,
die ich in deinem herzen lag.

nun liege ich dir vor dem magen,
verdauen wird mich bald das moor.
dann muss ich nicht mehr davon klagen,
als käm´s nicht auch bei andern vor.

Freitag, 16. November 2001

berlin, oranienburger

noch einmal zwischen wiedergängern
lauf ich geklontem großstadtflair
um die erinn´rung zu verlängern
als falscher freier hinterher.

der wahre freier kommt im wagen
zum kunstobjekt vom straßenrand.
nach potentiellen käuferfragen
floriert es unter kalter hand.

für restaurants und cocktailbars
wird von den kellnern angeschafft.
sie sind hier als lokale stars
mal rüde und mal divenhaft.

die auswahl der cafés ist groß.
hier findet selbst ein zionist
zwei israelische bistros,
wo nur der preis nicht koscher ist.
einst fand ich hier statt bunter kost
die graue nivellierungsdroge
und hielt im tran die alte post
doch für die neue synagoge.

dass das nicht mehr passieren kann
verhindert vor dem gotteshaus
mpi-bewehrt ein grüner mann.
(er nimmt sich ziemlich seltsam aus.)

den polizisten ohne meinung
belächelt fußvolk ohne ziel
als zeitgemäße randerscheinung
von kiez und kult im alten stil.

man sucht hier authentizität
und man erobert sich die Stadt,
die jedem ansturm widersteht
weil sie sich längst ergeben hat.

was ist der preis für das, was fehlt?
ein leeres haus schweigt ohne sinn.
wer hat die fenster schwarzgequält?
wo sind die alten mieter hin?

wer trieb von hier mit welcher lüge
soldatisch sie aus mietskasernen
in straßen- und in reichsbahnzüge
und in die ferngelenkten fernen?

wer hat mich hierher eingeladen?
was wirft mich hin von zeit zu zeit?
vor einschusslöchrigen fassaden
durchblättre ich den city-guide.

auf fragen folgen bunte bilder
der in-szenierten neuen mitte.
statt seelenlandschaften und -schilder
für herz und auge: schnelle schnitte.

und lauter fernsehlust und -laster -
(ich nehm´ das dé-jàvu in kauf) -
betreten; unterm kopfsteinpflaster
platzt nur manch alte wunde auf.

noch einmal zwischen wiedergängern
lauf ich geklontem großstadtflair
um die erinn´rung zu verlängern
als falscher freier hinterher.