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Samstag, 8. Juli 2000

An einen Gleichaltrigen

Ruhst du wirklich so in dir,
Dass dir gar nichts mehr passiert?
Was blieb von der Lebensgier?
Ist dein Herz schon konserviert?

Da, wo deine Lust aufschäumt,
Lässt du Seifenblasen platzen,
Was du dir des Nachts erträumst,
Holen sich bei Tag die Spatzen.

Du gehst Rasen auszusäen,
Dich vor Wildwuchs zu behüten.
Wie ein Schaf hör´ ich dich mähen,
Treibt der Glücksklee erste Blüten.

Rost beißt sich die braunen Zähne
An der Seelenrüstung aus,
Die dich stützt wie eine Lehne.
Niemals kommst du aus dir raus.
Sonntags kaust du sauren Kuchen,
Weil ihn deine Frau dir bäckt.
Neues willst du nicht versuchen,
Du behauptest, dass es schmeckt.

Ruhst du wirklich so in dir,
Dass dir gar nichts mehr passiert?
Was blieb von der Lebensgier?
Ist dein Herz schon konserviert?

Ich jongliere Bienennester,
Und bestech´ mich nie mit Lügen.
Denn für mich fließt stets noch bester
Honig aus zerbrochnen Krügen.

Samstag, 3. Juni 2000

Dieser Schrei

Eines Abends war er da
Dieser Schrei
Es war mein Schrei
Wehklagen eines Katers
Im siebten Leben

Ich hatte ihn irgendwo ausgesetzt
Zum Sterben
Diesen Schrei
Nun hatte er mich gefunden
Wie Erinnerungen an sechs Leben

Er umheulte mein Haus
Und krallte sich in die Ritzen
Der Tür
Die ich wortlos
Verriegelte.

Montag, 15. Mai 2000

Am Anfang war das Wort

Für Alina

Die Online-Liebe funktioniert
Als Glücksspiel kranker Herzen,
Die Glut in kalten Kammern giert
Nach tausend Wunderkerzen ...

Maskiert zog ich ins Cyberland –
Ein Schaf im Wolfspelz unter vielen.
Ich blieb, bis ich die Eine fand;
Ich wollte nicht mehr spielen.

Ich sah sie panthergleich verweilen,
Durch öde Seelenwälder hetzen,
Dann stand sie zwischen meinen Zeilen
Und sprang mich an mit kurzen Sätzen.

Ihr Wort verrät das scheue Reh,
Ihr Stil die Katze voller Lust,
Ihr Blick, den ich wohl niemals seh´,
Brennt mir die Maden aus der Brust.

Stattdessen pflanzt sich Liebe ein –
Geklonte süße Schmerzen.
In Monitore, hart wie Stein,
Vergraben sich die Herzen.

Freitag, 12. Mai 2000

Runners High

Der Puls schlägt, wenn ich ihn nicht zähle,
Als Echolot in meine Seele.
Erinnerung wird abgeklopft
Ein schwarzes Loch von selbst gestopft.

Der Blick wird frei, vor Stunden fand er
Nur Gitter vor wie Rilkes Panther.
Nun macht er, wenn ich mich bewege,
Aus Trampelpfaden Königswege.

Das Brachland wird zum Jagdrevier.
Für ein aus sich befreites Tier
Schließt sich ein Kreis in großen Runden,
Beginnt ein Wille zu gesunden.

Das Gestern schwitzt sich aus dem Hirn,
Dem Morgen biete ich die Stirn.
Ein Schicksal, das sich selber flieht,
Ist Doping gegen Suizid.

Mittwoch, 10. Mai 2000

Alter Pirat

Die Fliegen streicht er sich vom Arm
Mit gelbgerauchten Fingern
Sein Bier wird in der Sonne warm
Sein Blick beginnt zu schlingern

Sein Herz hält stur auf etwas zu
Geleckte Kinder lachen
Voll Straßenstaub sind seine Schuh´
Und speckig seine Sachen

Durch den Phantomschmerz der Gedanken
Geht brisenhafter Wind
Hört er das Knarren junger Planken
Die längst vermodert sind

Das Segeln hat er nicht verlernt
Er steckt voll Raubgelüste
Nur ist das Meer so weit entfernt
Wie eine letzte Küste

Samstag, 29. April 2000

ostersommertag

auf allen wegen schmetterlinge.
der tod springt über seine klinge
wie kinder übers gummiseil.
an straßen bietet grün sich feil
für alte leute, die dran glauben.

die sonne sieht man wolken rauben,
kein regen hat was abzustauben,
der himmel macht ab mittag blau.
stadtauswärts bildet sich ein stau
und zwingt zur einkehr, nicht zum bleiben.

durch offne autofensterscheiben
seh ich erwachtes lächeln treiben
und sonnenbrillenfrauen träumen
wie neue vögel in den bäumen,
bis man sie hupend weiterjagt.

der wind wird vor der stadt befragt,
um wen das kleine holzkreuz klagt
vor einem schlussstrich aus bitumen;
in seinen armen welken blumen.
an sträuchern hängen ostereier.

ein andres kreuz fliegt auf, ein reiher,
ich atme um distanzen freier,
je näh’r mir die entfernung wird,
zu ihm, zu mir, zu gott, der irrt
und menschen mit sich selbst verwirrt.

Donnerstag, 20. April 2000

ostersommertag

auf allen wegen schmetterlinge.
der tod springt über seine klinge
wie kinder übers gummiseil.
an straßen bietet grün sich feil
für alte leute, die dran glauben.

die sonne sieht man wolken rauben,
kein regen hat was abzustauben,
der himmel macht ab mittag blau.
stadtauswärts bildet sich ein stau
und zwingt zur einkehr, nicht zum bleiben.

durch offne autofensterscheiben
seh ich erwachtes lächeln treiben
und sonnenbrillenfrauen träumen
wie neue vögel in den bäumen,
bis man sie hupend weiterjagt.

der wind wird vor der stadt befragt,
um wen das kleine holzkreuz klagt
vor einem schlussstrich aus bitumen;
in seinen armen welken blumen.
an sträuchern hängen ostereier.

ein andres kreuz fliegt auf, ein reiher,
ich atme um distanzen freier,
je näh’r mir die entfernung wird,
zu ihm, zu mir, zu gott, der irrt
und menschen mit sich selbst verwirrt.

Montag, 3. April 2000

Auslese

Die, die ich ewig liebte,
Die gab mich plötzlich frei.
Als sie ihr Herzchen siebte,
War ich nicht mehr dabei.

Ich fiel durch dünne Gründe
Und wurde fortgeweht.
Warum ich dies verkünde?
Weils jedem mal so geht.

Dienstag, 21. März 2000

Zwei Königskinder

Wann kam der Brand in unser Haus?
Warn wir dagegen nicht versichert?
Was löste dieses Feuer aus,
Das uns verzehrt und irre kichert?

Wir hatten alles durchgeplant,
Uns treu gezähmt mit gutem Essen;
Die Sehnsucht, die sich angebahnt,
Die konnten wir im Bett vergessen.
Aus Wagnis wurden Rituale,
Aus unsrem Anfang Anekdoten.
Vom Apfel blieb nur noch die Schale,
Die Sünde hatten wir verboten.

Wir waren göttlich vorbildhaft
Und predigten die Königswege
Und habens nicht ins Ziel geschafft.
Die Kronen machten uns zu träge.

Jetzt steht das Haus in wildem Brand,
Gebaut aus Träumen und Kredit.
Es löst sich wortlos Hand aus Hand
Und in zwei Herzen fällt ein Lied.

Ein Königreich voll fetter Erde
Für etwas, das wir längst verloren
Und für zwei schwarz verhängte Pferde
Und zwei Paar hoffnungsgrüne Sporen.

Freitag, 3. März 2000

Move over

Sein Auto fährt fast von alleine.
Im Fadenkreuz des Tunnelblicks
Erscheint ein Mädchen, seine Eine,
Die ihn verließ für neue Kicks.

Er dreht das Radio auf bei hundert,
Bei Heavy Metal gibt er Gas
Und denkt an das, was er bewundert,
Und das, was er zum Abschied las.

Mit E-Gitarren-Kriegsgeschrei
Im freie Fall die Straße lang.
Die Zeit der Umkehr ist vorbei,
Kein Bremsen, keinen Rückwärtsgang!

Bloß durch den Tunnel in die Weiten!
Wohin es geht, er weiß es nicht.
Er lässt sich von dem Auto leiten
Und von der eingeschränkten Sicht.

Die Welt da draußen ist ein Traum,
Der Horizont hat einen Riss,
Ein Baum im Ziel ist nur ein Baum,
Nichts weiter und kein Hindernis.

Montag, 21. Februar 2000

Nachts in aller Stille

Wohl hinter jeder freien Lichtung
Bleibt über Tag der Wald zurück,
Nur nachts wächst er in alle Richtung
Und alle Seelen Stück für Stück.

Schon naht die ernste Dämmerstunde,
Sie schlägt um Einlass an ein Herz
Und lässt so manche alte Wunde
Zur Ader mit vertrauter Terz.

Ein Celloton streicht durch den Wald,
Worin der Wind sein Licht verweht.
Der Mond gibt sich im Dunkeln Halt,
Weil er in seiner Mitte steht.

Die Bäume stützen sich auf Schatten
Und müden Wurzeln, weltalltief.
Die Vögel, die sie mittags hatten,
Sind fort, weil man sie heimwärts rief.

Kehr´n sie zurück ins schwarze Holz -
Wie aufgebäumter letzter Wille
Zersägt mit morgengrünem Stolz
Der Wald das Licht in aller Stille.

Montag, 3. Januar 2000

Mein Herz ist ein Terrarium

Mein Herz ist ein Terrarium
Mit Schattenwesen aller Art.
Skorpione sticheln dort herum
Und etwas, das mich ständig narrt.

Mit Hoffnung füttre ich die Brut,
Mit Sehnsucht und mit jungen Trieben,
Mit allem, was nicht in mir ruht,
Jedoch ein Teil von mir geblieben.

Mein Herz höhlt sich zur Grotte aus
Und kann das, was es fasst, nicht fassen,
Doch was es sticht, will nicht heraus,
Und was mich narrt, von ihm nicht lassen.