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Mittwoch, 25. Oktober 2017

181 | Hinter der Brandung


Ein Donnerschlag morgens halb acht, dann bedrohliches Grollen, Regen und neuer Donner, direkt über uns. Ich war bereits wach, meine Jungs wurden es. Das heißt, sie griffen nach ihren Smartphones und strapazierten das WLAN. Einen Fernseher haben wir nicht in unserem Häuschen, aber der fehlt auch niemandem.
Bevor wir gestern Abend zu Manolis gingen, standen wir auf der Kaimauer des Hafens, weil ich den Sonnenuntergang festhalten wollte. Den Jungs wurde es schnell langweilig, da die Sonne sich weigerte dynamischer zu versinken. Deshalb taten sie so, als würden sie stolpern oder von der 5 m hohen Mauer springen. Sie wissen, dass ich dann jedes Mal eine Art Stromstoß verpasst bekomme. Von meiner Sorge und Höhenangst. So einfach sind die kleinen Freuden der Bengel.


Manolis hatte seine Terrasse schon halb winterfest gemacht, als wir eintrafen. Ein paar einheimische Gäste saßen drinnen, wir setzten uns raus. Noch lag nämlich Spätsommer in der Luft. Wie bereits am Sonntagabend servierte Manolis ohne zu fragen frisches Weißbrot und Tsatsiki, was die Jungs lieben. Dann brachte er das Stifado mit chipsartig frittierten Kartoffeln. Für Letzteres schwärmte der Nachwuchs, nur beim Fleisch wurden die Gesichter lang. Es schmeckte ihnen tatsächlich zu sehr nach Kaninchen. Mir eher nach Ente, nach Wildente, der ich noch eine Stunde im Ofen gegönnt hätte. Also tauschten wir: Ich bekam das Fleisch, die Jungs meine Kartoffeln. Weil der Tausch sie zufriedener, aber nicht satt machte, brachte Manolis eine weitere Portion Tsatsiki mit Brot und für mich - zur Verdauung - ein Schnapsglas und eine Raki-Flasche, auf deren Grund eine selig entschlummerte Obstfliege lag.



Bereits heute Vormittag war das schöne Wetter zurückgekehrt. Das, wofür man in den Urlaub fliegt. Und so ließ ich mich mit einem meiner Söhne entspannt im türkisblauen Meer treiben. In der Flaute hinter den Wellen, die immer noch ziemlich kräftig waren. Mit uns trieb die tiefste Zufriedenheit des entschleunigten Lebens. Es war einfach herrlich: die Ruhe um uns her, der Panoramablick auf die Insel, das ferne Rauschen der Brandung. Am Himmel hatten Schönwetterwolken festgemacht und auf dem Gebirge hinter sandbraunen Küstenbergen gleich eine ganze Cumulus-Armada. Sie wartete auf flutende Winde, um wieder mit Donnerschlägen zu imponieren. Aber das friedliche Wetter hielt sich. Doch der Preis, den mein Sohn und ich für dieses großartige Badekino bezahlten, waren neuerliche Brandungs-Schnitte in Händen und Füßen, die wir Helden uns am Ufer zeigten.
Halbwegs getrocknet las ich auf einer der orangen Strandliegen in meiner Urlaubslektüre weiter: „Ingrid Babendererde/Reifeprüfung 1953“.


Was ich von Johnsons Frühwerk halte, weiß ich noch nicht so recht. Wie einen alten Wein hatte ich das Büchlein kurzerhand aus dem Regal genommen und eingesteckt. Gehaltvoll ist es wohl, wenn auch nicht süffig.

Nach dem Abendessen wollen wir in einem der Hafencafés das DFB-Pokalspiel Hertha gegen Köln sehen (so es denn gezeigt wird). Schließlich ist das hier auch ein richtiger Jungs-Urlaub, jawoll!


Mein Fazit: Das Meer gibt nicht nur und nimmt, es sorgt auch für Aussichten und Einschnitte.


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