Unser letzter langer Westküstentag begann windig und bedeckt. Die angekündigte Tagestemperatur sollte Gott sei Dank nur 18 °C betragen. Perfekt, um im Connemara-Nationalpark wandern zu gehen. Also fuhren wir wieder nach Letterfrack.
Aus dem Autoradio kam Irish Folk, Musik, die wir lieben. Weil sie meistens nicht so sentimental ist, sondern zu sagen scheint: „Scheiß auf die Sorgen und fang an zu tanzen!“ Ganz im Sinne von Alexis Sorbas.
Über den Bergen der Twelve Bens hatten sich beeindruckende Wolken zusammengebraut. Regnen sollte es laut Wetter-App jedoch nicht.
Wir parkten beim Besucherzentrum und besahen uns auf einer ausgehängten Karte die vier nach Schwierigkeitsgraden angelegten Wanderrouten. Ein wenig enttäuscht war ich, weil man auf allen Wegen nur einen kleinen Teil des Nationalparks zu sehen bekommt. Und weil die längste Tour, die man machen kann, nur knapp 7 km lang ist. Dafür geht es aber auch bei der anspruchsvollsten Route über den Bergkamm des Diamond Hill.
Anfangs liefen wir auf moderat ansteigenden Schotter- und Holzwegen durch eine sich weit hinziehende Moor- und Heidekrautlandschaft. Immer auf den über 400 m hohen Berg zu.
Dann ging es über Trittsteine weiter und der Weg wurde steiler. Wir japsten und schwitzten und genossen den kühlenden Wind. Meinen Respekt für alle Leute, die den Gehsteig dort oben angelegt haben – und Stein für Stein hochgeschleppt! Ich trug ja nur unseren Proviant und die Regenjacken im Rucksack.
„Enjoys it!“, rief ich Andrea kurzatmig zu, weil Paddy Conroy, unser netter Herbergsvater es oft zu uns sagt. „Schließlich hast du Urlaub.“ Andrea musste lachen. Darauf sang ich „Climbing up on Solsbury Hill“ und „Step by step, oh, Baby!“ Ich erzählte Quatsch über barrierefreie Kletterpfade, machte Fotos und weiteren Unfug. Denn noch hatte ich die nötige Energie dafür. Aber irgendwann, als die Trittsteine nach rolling stones aussahen, es in den Wolken grummelte und der Wind stürmte, verging Andrea und mir das Lachen. Konnte es sein, dass die Luft auf dem Upper Diamond Hill Walk dünner wurde? Und hatte ich schon erwähnt, dass Andrea und ich Höhenangst haben?
Step by step ging es weiter, bis zum Mountain top.
Der Panoramablick, mit dem wir am Ende belohnt wurden, war nämlich all die Mühe wert und der sich anschließende Weg nach unten fast ein Kinderspiel. Nur wenn es regnet, dachte ich, bekomme ich ein Problem. Meine Sneakerssohle hatte nämlich längst ihr Profil verloren und die Schuhe somit auf nassen Steinen erfahrungsgemäß jeglichen Halt.
Doch es regnete nicht. Und als wir wieder Schotter unter den Füßen spürten, hatte auch der Wind nachgelassen. Vogelzwitschern war zu hören und Grillengezirpe. An Stelle einer Schafherde rupften sich Ziegen gemütlich ihr Lunch aus dem üppigen Grün und würdigten uns keines Blickes. Die Welt hatte uns wieder.
Andrea konnte bereits jetzt ihre Waden spüren. Bei mir ging es, obwohl ich laut Health-App exakt 100 Stockwerke hochgestiegen war.
Nach einer Auszeit im Rockmount House aßen wir wie an unserem ersten Abend im Marconi. Am Nachbartisch saß eine irische Familie mit 4 Kindern. Weil es Zeugnisse gegeben hatte vermutlich. Alle Kinder waren voller Sommersprossen und gut erzogen leise.
Gegen 20.00 Uhr zogen wir – auch wie am ersten Abend – ins Lowry´s, hörten Live-Musik und genossen kühlcremiges Guinness. Dann betrachteten wir die im Atlantik untergehende Sonne vom Aussichtspunkt der Sky Road. Der perfekte Abschluss für eine perfekte Connemara-Woche.
Die letzten beiden Tage werden wir uns noch Dublin ansehen. Aber schon jetzt wissen wir, dass wir Irland und die Iren lieben. Und dass wir uns ernsthaft vorstellen können, als Rentner auf die grüne Insel zu ziehen. Das Leben bleibt eben spannend.
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