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Dienstag, 25. Juni 2019

202 | Rund um Clifden

An unserem dritten Tag in Irland wollten wir wegen des angekündigten unbeständigen Wetters erneut vor Ort bleiben. Also mehr oder weniger vor Ort. Wir hatten uns in den Kopf gesetzt, zur „White Lady“ zu wandern, einer auf der anderen Seite der Clifden Bay aufragenden geheimnisvollen Küstenmarkierung. Einer Art gekalktem Menhir, von dem sich im Internet nicht herausfinden ließ, wann er aufgestellt worden war.
Die „Lady“ und die Ringbecken einer Lachsfarm fest im Blick liefen wir die Lower Sky Road Richtung Clifden entlang und mussten unsere Regenjacken ziemlich schnell wieder ausziehen, so schwül-warm war es. Die Bucht lag als aufgeraute Zinnplatte unter uns, bis v-förmige Bugwellen auslaufender Boote die graustumpfe Struktur zerschnitten. Über uns hatten bleischwere Regenwolken festgemacht, Spatzen tschilpten in den Hecken, Lerchen sangen in der Luft. Ab und an brummten eine Hummel oder ein Auto vorbei, blökte ein Schaf, muhte eine Kuh. Ansonsten war es still. Kein Lüftchen bewegte die Blätter der Pflanzen.
Nach etwa 3 km machten wir einen Abstecher zum weithin sichtbaren Clifden Castle, dem einstigen Herrenhaus der Gegend.

Durch ein sich mittelalterlich gebendes Eingangstor gingen wir auf einem Pfützenweg zur neogotischen Ruine, die um 1818 vom Stadtgründer John D´Arcy für seine Familie als Burg-Imitat erbaut worden war.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist das Anwesen unbewohnt und verfällt. Nur noch Dohlen lärmen durch das Castle-Gemäuer, das in Deutschland längst abgesperrt, voller Graffiti oder touristisch überlaufen wäre.

Andrea und ich aber hatten Zeit, uns alles in Ruhe und vor allem allein ansehen zu können.








Später in Clifden dämmerte uns, dass wir es wohl nicht zur „White Lady“ schaffen würden. Eine Tageswanderung von plus minus 10 km reichte uns wieder vollkommen. Und da wir ja Urlaub haben, 
betraten wir am frühen Nachmittag das E. J. King´s, um etwas Alkoholfreies zu trinken. Dabei entpuppte sich Andreas bestellter Latte Macchiato als einfacher Espresso mit einem Spritzer Milch. Vielleicht zur Strafe, weil ein Pub nun mal kein Café ist.




Kurz darauf schlenderten wir durch Clifdens überschaubares Zentrum und einige Läden, bevor wir uns bei mittlerweile bestem Wetter auf den Rückweg machten. Von der Sonne war inzwischen sämtliches Regengrau verjagt worden. Nur leuchtende Farben und klar umrissene Schatten ließ sie bis zum Abend noch gelten. Und so hatten es die weißen Küstenwolken am azurblauen Himmel genauso wenig eilig weiterzuziehen wie wir mit unseren fotografierenden Smartphones.

In der Clifden Bay unter uns glitzerte der Panoramabild-Atlantik so ultramarin wie sonst nur das Mittelmeer. Die Sonne lockte endlich auch die erste Katze aus einem Cottage. Und dann noch eine. Tiefenentspannt wie alle uns bisher hier begegnenden Tiere saß sie am Straßenrand und träumte bestimmt wie wir vom Essen.





Gegen 17.30 Uhr waren wir mit dem Auto in Clifden zurück, um endlich in Mitchell´s Restaurant das Early-Bird-Menü auszuprobieren – drei eigens zusammengestellte Gänge zu Happy-Hour-Preisen. Ich nahm die Fischcremesuppe, gebratenen Seehecht und Milcheis mit Karamellsoße. Dazu selbstverständlich ein Guinness. Genau das Richtige nach einer Wandertour. Beim nachfolgenden Verdauungsspaziergang schlenderten wir zur katholischen Saint Joseph´s Church, die zwar offen, aber nicht wirklich beeindruckend war. Am Rockmount House angekommen, machten wir zu guter Letzt auch noch einen Bonus-Ausflug zu den Cliffs vor unserer Haustür.

Und da leuchtete sie in der Ferne: die von der tief stehenden Abendsonne angestrahlte „White Lady“. Geheimnisvoll wie eine irische Seemannsbraut, die am Strand vergeblich auf ihren Mann wartet.

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