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Montag, 24. Juni 2019

201 | Regentag

Nach einem guten Frühstück brachen Andrea und ich gestern zu einer kleinen Wanderung durch die Umgebung auf, obwohl es den ganzen Tag über fast ununterbrochen regnete. Nach drei Wochen Trockenheit ein Segen für die Landschaft und für uns recht erfrischend. Tropfen klopften auf unsere Kapuzen und der Wind pfiff auf den gestern noch wahrgenommenen Meeresgeruch. Nur wenn er kurzzeitig verschnaufte, stieg der Geruch von Torffeuern in unsere Nasen. Geruch, der an verbrannte Gartenabfälle erinnert und an die nasse Erdigkeit von Moorlandschaften.
Neben verstreut liegenden Häusern und in Schuppen trocknen hier in Connemara noch immer dunkle Haufen des wie in Vorzeiten ausgestochenen Brennmaterials. Holz ist eben Mangelware in Irland. Kein Wunder, wenn die baumlosen Berge der Twelve Bens und die Klippen Andrea und mich stark an Kreta denken ließen.


Kreta im Frühling, was die üppig grüne Flora angeht, die ständig den Stürmen und dem Meeressalz ausgesetzten Kräuter, Gräser und Stauden. Schon am Wegrand wachsen wilde, gelb blühende Schwertlilien und rot leuchtende Fuchsien. Und hinter den mit Flechten überzogenen Trockenmauern gedeihen Rhododendron und Stechginster. Was den Wind und die gestrigen Temperaturen von maximal 15 °C betrifft, gibt sich Connemara allerdings so ungezähmt wie Kreta im Herbst. Und dann ist da noch die freundliche Art der Iren, die uns an Kreta denken lässt: Man lächelt und grüßt und plaudert drauflos. Der irische Dichter Yeats hat mal gesagt: „Hier gibt es keinen Fremden, nur Freunde, die sich noch nicht trafen.“
Selbst die meisten Hunde begegneten uns zutraulich, ließen sich streicheln und begleiteten uns ein Stück weit auf unserem Weg. Katzen, von denen auf Kreta mehr als genug herumstreunen, sahen wir keine.
Nach drei Stunden waren wir zurück im Rockmount House, trockneten unsere Sachen, tranken Kaffee und Tee.
Am frühen Abend wollten wir nach Clifden-City fahren, um in Mitchell´s Restaurant Fisch zu essen. Nur hatten wir uns den Lokal-Namen nicht gemerkt und landeten im O`Malley, was aber auch okay war. Dort genossen wir den Blick auf eine Meeresbucht mit trockengefallenem Kutter und ich mein erstes Smithwick´s.
Das Ale ist süffig, kann für meinen Geschmack trotzdem nicht ernsthaft mit Guinness konkurrieren. Davon gönnten wir uns anschließend zwei Pints in Lowry´s Bar, wo ab 19.00 Uhr Live-Musik gespielt wurde.

The Carey Familie, ein Männer-Trio mit Gitarren und Banjo, legten gleich mit „Dirty Old Town“ los, diesem wunderbaren Lied, das ich in die Pub-Szene von „Viriditas“ einfließen lassen hatte (6. Teil „Die Walstatt“, Amazon-E-Book von Johannes Tiber). Als zweites spielten die Careys „Galway Girl“. Aber nicht den Hit von Ed Sheeran, sondern den von Steve Earle aus dem Film „PS. I Love You“. Andrea, die zu meinem Erstaunen noch nie in einem Pub war, jedoch den Film und vor allem diesen Song liebt, war happy. Und als „Brown Eyed Girl“ von Van Morrison gespielt wurde, sangen wir lauthals mit: „Sha la la la la la la la la la te da, la te da!“

Ach, es war ein so schöner Abend zwischen all den Einheimischen und Clifdens sanften Touristen. Draußen regnete es und bei Lowry´s wurde gemütlich das Leben gefeiert. Deshalb gehen wir dort auf jeden Fall noch einmal hin.

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