Gestern fuhren wir nach Phaistos, um uns alte Steine anzusehen. Die dortige Ausgrabungsstätte über der Messara-Ebene zeigt Reste der nach Knossos zweitgrößten minoischen Palastanlage.
Viel ist davon nach knapp 4000 Jahren allerdings nicht mehr übrig. Aber es reicht, um gegen Geld Besucher wie uns anzulocken. Wir hielten uns von Reisegruppen fern, schlenderten über alte Höfe und Treppen, überkletterten Mäuerchen und lugten in Vorratskammern und das überdachte Königinnengemach.
Noch besser als die antiken Fundamente gefiel uns allerdings der Ausblick von dort oben über die grüne Landschaft.
So viele Olivenbäume unter dem blauen Himmel und so weiß die Schneewolken über dem fernen Psiloritis.
Nachdem wir uns sattgesehen hatten, fuhren Andrea und ich an die Küste. Dabei machten wir einen kurzen Abstecher nach Kamilari, einem auf drei Hügeln errichteten Ort. Hier soll der Seher Epimenides gelebt haben, den die Spartaner gefangen nahmen und - weil er ihnen nur Schlechtes prophezeite - hinrichteten. Aber das ist lange her und nichts Genaues weiß man nicht.
Weil uns Kamilari zu steil und verschlafen erschien, fuhren wir zum Komos-Beach weiter, wo wir vor anderthalb Jahren schon einmal waren. Er liegt bei Matala und soll einer der längsten und schönsten Strandabschnitte Kretas sein.
Das türkisfarbene klare Wasser wurde jetzt mit reichlich Getöse gegen das flache Ufer gerollt. Wir liefen ein Stück auf dem feuchten Sand, hinterließen Spuren und genossen die milde Sonne.
Irgendwann setzten wir uns am Fuße der Steilküste auf einen Felsen, plauderten, schauten aufs Meer und beobachtete vorbeikommende Leute. Einige waren so hartgesotten, sich in Badehose und Bikini bei windigen 16 °C in den Sand zu legen. Da war uns das Sitzen in Jacken schon lieber. Das Sitzen und meditative Betrachten der Wellen. Wie sie sich glitzernd auftürmten, brachen und schäumend verebbten, während sich draußen vor Agia Galini ein Containerschiff um die eigene Achse drehte. Und am Horizont die Paximadia-Inseln miteinander verschmolzen.
Wie die Rückenansicht eines Nilpferds sahen die beiden Inseln aus. Von Agios Pavlos aus betrachtet erinnern sie ja an einen kleinen durchs Meer schwimmenden Elefanten. „Elefantaki“, sagen einige Kreter deshalb zu ihnen.
Auf dem Rückweg zum Auto entdeckte ich an der Steilküste zwischen eingeritzten Namen ein kleines Sandsteinrelief, einen unvollendeten weiblichen Rückenakt.
Wer das kleine Kunstwerk hier wohl hinterlassen hat - und wann?
In Agia Galini wurde tagsüber mit schwerem Gerät der Strand für die Urlauber aufgehübscht. Als die Sonne unterging und wir uns zum „Ilios“ aufmachten, herrschte Feierabendstille. Selbst vom Wind war nichts mehr zu spüren. Noch einmal wurde der Hafen kräftig ausgeleuchtet, dann begann auch schon der Abend.
Manolis hatte leckeres Lamm zubereitet, was Moki, das hinkende Hauslämmchen zum Glück nicht wusste. Es blökte und machte Böckchensprünge auf der Terrasse, derweil sich Sophi und der Hund eines Gastes über die Knochen von unseren Tellern hermachten.
Aus den Lautsprechern kam melancholische Musik, die uns fühlen ließ, dass sich unser Urlaub langsam dem Ende zuneigt. Einen der kretischen Songs glaubte Andrea wiederzuerkennen, aber auf Türkisch gesungen.
„Susanne“, fragte sie, „worum geht es in diesem Lied?“
Susanne blieb stehen und lauschte, konnte der schnarrenden Lautsprecher wegen jedoch nur wenig verstehen.
„Geht es um die Mama und Heimat?“, hakte Andrea nach.
Susanne schmunzelte und winkte ab. „In kretischen Liedern geht es immer um die Mama und Heimat.“
Mit gespielter Feierlichkeit hob ich mein Raki-Glas: „Auf die Mamas und die Heimat! Auf Kreta und das Leben! “
„Und die Liebe“, sagte Andrea.
„Und die Liebe“, sagte ich. „Jamas!“
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