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Mittwoch, 19. Oktober 2016

167 | Zaros


4. Tag

Seit der Nacht ist es ordentlich windig. Am Vormittag wird bei Sonnenschein das Meer aufgewühlt und die Gischt großflächig verteilt. „Blowin´ in the wind“ eben. Wir frühstücken spät bei Susanne und Manolis und fahren anschließend nach Zaros, um durch die Rouvas-Schlucht zu wandern.
Auf den Bergen liegen zuckerwattige Wolken, die sich vom Nordwind nicht wegschieben lassen. Nach einer Stunde Fahrzeit geht es zu Fuß an einer Wassermühle und einer Fischzucht vorbei.
Forellen, Karpfen, sogar zwei Störe drehen in relativ kleinen Bassins ihre Runden. Weiter oben der Votomos-See (mit mehr Platz für die Fische), dahinter ein Aufstieg, dem zuweilen das Holzgeländer fehlt. Trotz des Windes riecht es nach Ziegen und harzigen Wildkräutern. Als hätte hier ein Mátala-Jünger Hanf angebaut. Schon zeigen sich die gehörnten Klettermeister und knabbern neben uns an Zwergsträuchern herum.
Laut Reiseführer müsste bald das Agios-Nikolaos-Kloster auftauchen. Ah, da ist es!
Aber kurz darauf verlieren wir den Weg, der uns zur Schlucht führen soll, mangels Beschilderung aus den Augen. Doch das macht nichts. Zu entdecken gibt es auch abseitig ausgetretener Pfade genug. Als da wären:
eine halb zerstörte Brücke (die wir mutig überqueren),
die Ruine eines Brunnenschachts (mit Sickerwasser an der Seite), eine Bauruine (die wir unerlaubt betreten und eine schlafende Fledermaus entdecken),
den Stamm eines uralten Olivenbaumes,
die grünen Früchte eines Zitrusbaumes
und einen, nun ja, einheimischen Althippie, der herumliegende Walnüsse einsammelt, sie mit einem Stein aufknackt und wegfuttert.
Wir tun es ihm nach, preisen die Nüsse, die Insel und das Leben mit seinen verschlungenen Wegen. Auf so einem entdeckten wir hinter Agia Galini heute früh bereits ein riesiges Krokodil, das da einfach so in der Landschaft herumlag.
Auf der Rücktour ist aus dem Wind fast Sturm geworden. Aber noch immer hängen die Wolken auf den Bergen fest. Am Straßenrand plötzlich ein Hund. Ich fahre langsamer und gehe schließlich auf die Bremse, weil der Streuner vor die Motorhaube läuft, zu bellen beginnt und - während ich vorsichtig weiterfahre - versucht, in die Reifen zu beißen. Wer weiß, was er mit PKWs schon erlebt hat.
Für den Abend haben wir im „Ilios“ reserviert, um Manolis Zicklein-Stifado zu essen. Davor gibt es wieder Antipasti von Susanne, anschließend Raki und Gespräche bis Mitternacht. Mit Manolis, einer Moni aus Deutschland und den spät hereinschneienden Frankfurtern. Wenn der Wind nachgelassen hat, sagt Moni, will sie in den nächsten Tagen Manolis zum Fischen begleiten.
„No Problem“, meint er grinsend, „bring einfach Weintrauben und Champagner mit.“ Dann lässt er uns in der Küche an zwei Plastikeimern voll selbst gesammelter Trockenkräuter riechen: Oregano und Thymian. Welch ein Duft! Und wir probieren von Manolis in Salzlake eingelegten Oliven. Die mild schmeckenden Ölfrüchte stammen alle von seinen eigenen Bäumen. Wobei einige bei dem großen Feuer im August etwas abbekamen.
Wir erzählen Manolis, dass wir heute in einem Olivenhain schon mal vorgekostet hatten und verziehen die Gesichter: „Very - was heißt ,bitter‘ auf englisch?“
Er versteht und schüttelt den Kopf. „To bitter!“
Dann ist es Zeit zu gehen. Mit leichten Ausfallschritten, aber glücklichen Gesichtern.

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