Selbst wenn man Pfingsten nicht das Passende für sich in Stadtmagazinen wie „Tip“ oder „Zitty“ finden sollte, lässt sich in Berlin und Umland einiges unternehmen. Vor allem Altbewährtes. Museen und Kinos verbieten sich bei Sommerwetter irgendwie von selbst. Im Grunde will man nur irgendwo gemütlich sitzen und mit angenehmen Menschen Gaumenfreuden und Neuigkeiten teilen. Zum Beispiel im Kreuzberger „Abendmahl“ in der Muskauer Straße 9. Das Besondere ist dort nicht das Interieur (oder die bunten Lampions draußen an der Markise), sondern das Essen mit Event-Charakter. Zur Zeit gibt es Krimi-Menue-Abende. Dem entsprechen auch an normalen Tagen die Namen der Gerichte. Wer vermutet da schon hinter „männlich, versoffen, böse sucht ...“ Seeteufelfilet auf Portweinlinsen? Oder hinter „Flammendes Inferno“ ein scharfes thailändisches Fischcurry?! Doch irgendwie machen die Namen nicht nur Spaß, sondern auch Sinn. Ich bestellte mir für 15,50 € einen „Mord im Aquarium“ - eine gebratene Dorade, die offenbar aber an Vernachlässigung gestorben war. Bei 3 kleinen halben Rosmarinkartoffeln und 5 Mini-Zuccinischeiben wunderte es mich nicht, dass selbst beim Würzen gegeizt wurde. Selbst die berühmt-berüchtigten Eiskreationen waren fast ausschließlich für das Auge bestimmt. Und weil alles trotz spärlicher Kundschaft lange auf sich warten ließ, kam ich zu dem Schluss: Wer im „Abendmahl“ speist, sollte bereits satt hingehen, viel Zeit und mehr als 30 Silberstücke haben. Denn mögen Küchenkreationen auch ihren Preis rechtfertigen – aber 5,-€ für eine Flasche Wasser und 25,-€ für eine Flasche Prosecco ist schon recht unchristlich.
Dann lieber volkstümlich in Friedrichshagen, direkt neben dem Spreetunnel. Wer einen Spaziergang am (Müggel-)See mit netter Biergartenatmosphäre verbinden möchte, ist dort genau richtig. Mit Blick aufs Wasser lässt sich die Bratwurst oder das Eisbein mit Sauerkraut genießen und mit frisch Gezapftem oder Berliner Weiße runterspülen, bevor man sich zum Kaffeetrinken auf den Weg zur Gaststätte „Rübezahl“ begibt.
Wer auf Speisen und Getränke verzichten kann, sollte am südöstlichsten Zipfel Berlins auf der Pfaueninsel lustwandeln, weil beides dort nicht erhältlich ist. Für 1,-€ fährt man nach langer Autofahrt und kurzem Fußmarsch mit der Fähre einen Steinwurf weit über die Havel, und schon befindet man sich in einer Art Reha-Park mit Ufa-Kulisse und Rentnern, denen der Starnberger See zu weit war. Haben die Bayern dort noch ihr Neuschwanstein, steht man hier auf der Pfaueninsel vor der preußisch-sparsamen Variante eines Schlösschens mit Ruinenflair. Das erste Fertighaus, möchte man meinen und seine baugeschichtliche Bildung darauf verwetten, dass die grau-weißen Brettertürme nie und nimmer über 200 Jahre alt sind. Und wenn - schon nach der ersten stürmischen Nacht hätte sich das Liebesnest Friedrich Wilhelms III. in eine echte der damals angesagten Ruinen verwandeln müssen ... Aber wer weiß, wie er es mit der Leidenschaft und mit der Treue hielt. Die zu seiner Hochzeit gepflanzte Platane steht schließlich auch noch – am Potsdamer Platz, bei der Staatsbibliothek.
Die restlichen Gebäude und Bäume der Insel können den ersten müden Eindruck genauso wenig revidieren wie die trompetenden Pfauen. Egal, ob Schinkel oder Lenné mit am Werke waren. Und dass selbst hier der Zahn der Zeit in Form der Minier-Mottenbrut am Kastanienlaub nagt, ließ mich ganz desillusionieren. In den Prospekten klingt der Ton natürlich anders: „eines der schönsten Ausflugsziele Berlins“, „bezaubernd“, „romantisch“, „idyllisch“, „preußisches Arkadien“ ... Preußisch auf jeden Fall, wenn ich an die „Wege nicht verlassen!“-Schilder denke. Aber auch hier sollte wohl jeder nach seiner Facon empfinden.
Globaler und deshalb hauptstädtischer ging es sonntags am Blücherplatz zum „Karneval der Kulturen“ zu. Der Umzug war eine Mischung aus Fasching, Love Parade und Christopher Street Day. Während andernorts die südliche Welt bei 34 °C Siesta machte, begann die Fiesta hier schon mittags. Wer in der Hitze Caipis schlürfte, war selbst dran schuld. Die Promoter von „Jägermeister“ ließen an Volljährige orange Sonnenhütchen verteilen. Dabei waren es vor allem Kinder, die welche nötig hatten.
Neben dem offiziellen Umzug machte es Spaß, den Umzug der Besucher zu beobachten. Wie sich alles schwitzend an den Imbiss-Buden vorbeischob! Viele Deutsche waren bunter angezogen als die Exoten auf den Umzugswagen: grüne Streifenbluse über rotbraun karierter Dreiviertelhose, den Rucksack wegen der Diebe vor die Brust geschnallt, und natürlich das orange „Jägermeister“-Hütchen obenauf ... Wie bei „Haderers Wochenschau“, nur als Endlos-Animation. „Stern“-Leser wissen, was ich meine.
Nach 4 Stunden war ich geschafft und sehnte mich nach der Reha-Pfaueninsel zurück. Die weitaus bessere Alternative war aber die zur Zeit angesagte „Strandbad-Mitte". Irgendwelche findigen Leute haben hinter dem Hackeschen Markt beim Monbijou-Park feinsten Sand vor das Spreegeländer gekippt, Liege- und Strandkörbe aufgestellt und eine Strandbar für den Umsatz gebaut. Urlaubsfeeling vor der Museumsinsel – optisch ein reizvoller Bruch, und absolut berlintypisch. Selbst als sich abends die Gewitterwolken zusammenschoben, war der Andrang groß. Bis der Sturm losbrach. Und dafür sorgte, dass es am Pfingstmontag keinen „Karneval der Kulturen“ mehr gab: 3 Leute wurden am Blücherplatz von einem umgestürzten Gerüst schwerstverletzt.
Hoffentlich werden sie wieder und können sich bei besserem Wetter erholen. Ich wüsste sogar schon, wo.
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