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Sonntag, 22. September 2002

031 | Party

Wenn am Sonntagmorgen – also mittags - die Augen kleiner als sonst sind, die Stimme tiefer und der Kater ausgeblieben ist, dann war die Party der letzten Nacht unter Umständen gut. In meinem Fall auf jeden Fall. Mit Party meine ich kein Familientreffen, bei dem man die Schuhe neben der Eingangstür auszieht, sondern richtiges Clubtreiben in einer freigeräumten WG.
In einem Zimmer wurde aufgelegt, im anderen ("Love Lounge") gechillt, die Küche hatte man zurecht als "Hells Kitchen" ausgeschildert und das Klo wurde von Drink zu Drink immer dichter umlagert. Zumal die Badewanne bis zum Rand mit Bier und Wein und Eis gefüllt war.
Im dritten und letzten Zimmer (Dreier-WG) gab es sogar eine kleine Cocktailbar. Nachdem die Pitu-Flaschen leer waren, wurde experimentiert. Und am Ende kam es auf den guten Geschmack sowieso nicht mehr an.
In diesem Sinne ein wenig belustigt stellte ich fest, dass fast jede Frau, selbst die Trendsetterin mit den Ringerstiefeln, ein Handtäschchen mit sich führte. Ich kann mir nicht helfen, aber es wirkt immer ein wenig madamig.
Einige Jungs trugen zu den 0,33er-Flaschen verwegene Drei-Tage-Bärte, T-Shirts, Stoffturnschuhe und – wo noch Haare - David-Backham-Frisuren.
Viele der über 60 Leute kamen aus der Multimedia-Branche. Eine komplette Hockeymannschaft war auch da und etliche Leute aus Hamburg.
An Abenden wie diesen ist alles möglich. Die Beauty vom Anfang, die ich bald dicht umschwärmt wähnte, blieb unangesprochen und ging vorzeitig traurig nach Hause. Das Mauerblümchen war dagegen in einem endlosen Gespräch mit dem Prinzen vertieft.
Bestimmt das Schicksal, wer wann wie ankommt? Häufig hinterlässt man mehr Eindruck, wenn man auf zwei Fingern pfeifen kann oder sein Bier mit dem Feuerzeug öffnet, statt den Gebrauch des 20-GB-iPods zu erklären. Schon sonderbar.
Als die ersten Drinks verschüttet wurden, war die Stimmung am größten. Der DJ krümmte sich vor seinen Turn-Tables, Art-Directors wurden zu "Murder on the Dancefloor" und tanzten sich frei, dass die Dielen bebten. Weil sich immer noch kein Nachbar beschwerte, hüpfte die halbe Hockeymannschaft in der Küche einen Sirtaki. Und gegen zwei ging selbst das Mauerblümchen irgendwo auf dem Hof pinkeln ...
Ich machte mich auf den Heimweg, erstaunt, dass die Party in den Straßen Berlins weiterzugehen schien und die Straßenbahn sogar noch im Halbstundentakt fuhr.
Die junge PDS-Kandidatin für Pankow verteilte noch am U-Bahnhof Eberswalder Straße wenige Stunden vor dem Öffnen der Wahllokale Infomaterial. Mal sehen, welches Schicksal ihr beschieden sein wird.

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