Sonnabend
Der Sommer ist zurück! Endlich kann man wieder über zu hohe Temperaturen und Ozonwerte klagen. Oder sich ins Auto setzen und raus ins Grüne fahren.
Gestern hatte ich über drei Ecken eine Einladung zu einer "Schweineparty". In dem Lokal einer Kleingartensparte wurde Spanferkel am Spieß gebraten. Dazu gab es warmes Sauerkraut, Brot und so viele verschiedene Nudelsalate wie Biersorten. Bei 8,- Euro all inclusive. Tolle Idee in Zeiten, wo das Wirtschaftssystem kränkelt wie das Ökosystem in den 80ern und Ausgehen am Wochenende teuer ist. Im Lokal legte der DJ auch gleich etliches aus den 80ern auf: Jimmy Summerville, Depeche Mode, Billy Idol. Ich denke über Zusammenhänge nach und beobachtete die ungefähr 60 Leute zwischen Tresen und Terrasse - Zwanzig- bis Dreißigjährige: Zottelige Biker, Männer mit Glatzen und Kinnbärten, Frauen mit langen Haaren und kurzen T-Shirts ... Ein Glatzkopf trägt Schottenrock, Springerstiefel und Schiebermütze, ein anderer ein Baby auf dem Arm. Eingelöste Forderungen nach Gleichberechtigung, und dahinter der unversehrt gebliebene grinsende Schweinekopf.
Mir fallen die Etiketten ein, die man in immer kürzeren Abständen meiner Generation anstickt (Generation Golf, Generation Internet), als ob es noch generationsverbindende Gemeinsamkeiten oder Gesinnungen gibt. Aber immerhin befindet sich dieser repräsentative Haufen von Individualisten gemeinsam in einem Gartenlokal und hat Spaß.
Wie auf einer Insel, denke ich und blicke in das schwarze Drumherum, wo die zeitlose Generation Laubenpieper bereits schläft.
Sonntag
Auf dem Weg zum Liepnitzsee bei Wandlitz hielt ich vor einer Eisdiele, zu der ich als Kind oft mit dem Rad gefahren bin. Gott sei Dank haben die sparsamen Modernisierungsversuche dort den Tante-Emma-Charme nicht verdrängt. Die Eisbecher und Preise sehen zwar anders aus, aber das Angebot ist größtenteils das gleiche geblieben. Meine Favoriten waren immer der Schwedenbecher (mit Apfelmus) und der Kirschbecher.
Mit verklärtem Blick bestellte ich bei der älteren Verkäuferin mit Brille den Kirschbecher ohne Sahne und konnte nicht an mich halten:
"Wissen Sie, den habe ich bei Ihnen das letzte Mal vor 20 Jahren gekauft."
Sie stutzte kurz, erwiderte dann aber mit brandenburgischer Schlagfertigkeit und gespielter Empörung, dass sie mir deshalb eigentlich keinen Eisbecher mehr verkaufen könne. Denn schließlich hätte ich dadurch nicht sehr viel für ihren Umsatz getan. Ich lächelte.
"Dort draußen, auf dem Fensterbrett habe ich immer gesessen ...", sagte ich und es war mir irgendwie peinlich, dass ich es nicht für mich behielt.
"Ja", freute sie sich, "da hat wohl schon jede Generation draufgesessen!"
"Ich auch!", meinte der Mann um die 50, der mit seiner Frau nach mir die Eisdiele betreten hatte. Dann war es für einen Augenblick still.
Die Sonne schien durchs Fenster, die alte Wanduhr tickte feierlich vergänglich und eine Wespe umflog wie eh und je meinen Eisbecher, den ich doch noch bekommen hatte.
Als ich ging, rief mir die Verkäuferin noch nach, ich solle mir bis zum nächsten Mal nicht wieder 20 Jahre Zeit lassen, weil sie dann schon längst in den Ruhestand getreten sei. Und sie lachte.
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