Gestern, am Sonntag, überspannte ein knallig blauer Himmel den Mauerpark wie eine Picknickdecke aus Latex. Für Szene-Fetischisten so gut wie für Romantiker. Ich kam mir vor wie am Venice Beach, wo ich noch nie war ... Nur der Strand fehlte, sonst gab es alles, aber ins Berlinische übersetzt: Basketballspieler, Jongleure, Zuschauer, Leute mit Drachen, ein Dutzend Trommler, Sonnenbrillenträger, Tattoos & Graffiti.
Viele waren keine Freaks, sondern Drahtseiltänzer, Grenzgänger im ehemaligen Grenzland. Thightrope Walkers im sozialen Netzwerk konträrer Überzeugungen.
Der Mauerpark ist bei gutem Wetter ein lebendiger Quilt. Ein Ort voll mit poetischen Bildern in Video-Clip-Ästhetik. Und im Stil absurden Theaters.
Da saß beispielsweise jemand im Gras und aß vom Plastikteller, der auf einem windschiefen vergoldeten Stuhl stand. Einem vom Flohmarkt, der in der Sonne blinkte, während ein Flugzeug lautlos darüber an Höhe gewann ... Der zerbrechliche Stuhl war zum Sitzen völlig ungeeignet, aber als Stand-Bild einfach nur göttlich.
Die Leute drum herum: bunt & expressiv. Wie die Komparsen aus „Easy Rider“, „Hair“, und Fatih-Akin-Filmen auf einem Haufen.
Das kreative Potential im Mauerpark ist enorm, die Lässigkeit wirkt echt. Dafür liebe ich Berlin. Und für diese Toleranz: Da tanzen blonde Rastafari so selbstverständlich neben bürgerlichen Flohmarktgängern wie diese neben alternativen Muttis zu coolen Crossover-Rhythmen. Lachende Gesichter nicht nur bei den Kindern.
Der zeitgemäße Hippie trail geht also unbedingt durch die Oderberger Straße. Hight-Ashbury am verschwundenen Nordbahnhof.
Vom Steinkreis her wehte der aktuelle Soundtrack herüber: „fairy“, eine neue Berliner Band, spielte gerade den Song „Tightrope Walkers“.
Fairy hat nichts mit Ultra zu tun, sondern heißt „Fee“ übersetzt. Wie die Sängerin und Gitarristin Fee Klauser, die mit dem Drummer Ferdi Grall und dem Bassisten Moritz Jansen zu Orgelklängen vom Laptop „englischen Gedankenpop“ vom Feinsten spielte.
Weil sie nicht zur PopKomm eingeladen wurden, rockten sie dort vom Laster und fanden mitlerweile Gefallen daran. Sympathisch sind sie sowieso; vertreiben ihre neuste CD „Spitting Butterflies“ ohne jegliches Anbiedern. Das Layout wirkt so professionell wie ihr lyrischer Gitarren-Rock. Da darf jetzt gern Radio Eins auf die Ex-Tübinger aufmerksam werden.
„ ... do you remember when we were walking the tightrope / from the top of the church to the roof of my house / we where dancing ...“
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