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Samstag, 5. Januar 2002

Die Nachmieterin

Wat soll ick zu die Juden sagen?!
Da jab et viele hier im Haus.
Die warn man nett, ick konnt nich klagen,
Und ick kam jut mit alle aus.

Selbst mit die Fiedlern ihre Schwester,
Ooch wenn se imma schachern kam.
Man jab ihr Milch und Essensrester,
Und die tat stolz, wenn sie wat nahm.

Die Fiedlers selber wohnten unten,
Die hatten eene Schusterei.
Und winters warn se dann verschwunden.
Der Laden stand paar Jahre frei.
Man fragte und man hörte nüscht
Nur von der alten Zimmermann
Jab´s hin und wieder een Jerüscht.
Na irgendwat is imma dran.

Es war ja Krieg, man sah nur zu,
Wo man mit seine Blagen blieb.
Und drückte irgendwo der Schuh
Dann half et, wenn man drüber rieb.

Ja, und die Löwes ausm dritten –
Ick höre noch die Kinder schrein –
Ach Jott, wat hab ick mitjelitten.
Die waren doch noch viel zu klein.

Ick gloobe, Pepi hieß der Kleene.
Wat war dit für ne süße Maus!
Er rief mich imma: "Tante Lene!",
Sah ick aus meinem Fenster raus.

Der Vater stammte noch aus Polen,
Den ham se vorher rausjepickt.
Und als se kamen, ihn zu holen,
Da dacht´ ick, er wird heimjeschickt.

Die Löwin sprach ja ooch mit keinen;
Trug nur den jelben Unglücksstern.
Fast wollt ick damals meinen,
Die tat dit selbstmitleidig jern.

Dann war ick ausjebombt vom Britten
Und zog in ihre Wohnung rein
Und dachte mir: wat heißt jelitten -
Die hatten es hier richtig fein!

Die Zimmer hell und riesengroß -
Und alle Spuren wegjefecht.
Dit heißt, in´ Ofen waren bloß
Noch letzte Fotos rinjelecht.

Mit so´nem traurigen Jesichte
Sahn sie mir an, wie wenn se fragen ...
Nu is´ dit ooch schon längst Jeschichte.
Wat soll ick zu die Juden sagen?!

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