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Montag, 4. Februar 2002

009 | Hiddensee

Vor mindestens 10 Jahren wollte ich hier her. Keine Ahnung, warum es damals nicht klappte. Ich weiß auch nicht mehr, wer mitkommen wollte. Wir waren jedenfall eine kleine Gruppe, deren Leidenschaft für romantische Spontanvorhaben ausgereicht hätte, um bis nach Sizilien und zurück zu marschieren. Wir wollten uns abends am Strand Storm-Novellen vorlesen, weil der uns näher stand als Hauptmann, und aus einer geleerten Flasche Wein eine gelehrte Flaschenpost machen. Aber irgendwer konnte dann doch nicht. Vielleicht sogar ich. Das zum Thema Spontanität. Heute ist das anders, obwohl ... Hätte ich meinen Hintern heute Vormittag noch etwas schwerer aus dem Bett gekriegt und mich dann nach den Fährzeiten erkundigt, wäre es sicher wieder nichts geworden. Dadurch hatte ich bis zur letzten Fähre von Neuendorf nach Schaprode gerade mal dreieinhalb Stunden Zeit für die Insel. Von den Pferdekutschen, der neben Rädern einzigen Fortbewegungsmöglichkeit, sah ich derweil nicht eine einzige. Aber ich bewegte mich auch erst am Weststrand und dann durch die Heide vorwärts. Nur hier und da eine reedgedeckte Fischerkate und dahinter der Leuchtturm von Dornbusch. Steht auf einem Schild vor den Häusern: "Frischer Sanddornlikör", dachte ich, werden dort Einheimische wohnen. Steht davor: "Privatbesitz. Betreten strengstens verboten!" werden es gestresste Künstler aus Berlin sein, die hier ihren Fluchtpunkt haben. Zäune sah ich indes kaum. Nur fleißig aufgehängte Wäsche versperrte den Blick ein wenig, machte das Gesamtbild jedoch stimmiger. Neben den Haustüren sind runenartige Zeichen befestigt, als wohnten dort nur Steinmetze oder Wikinger.
Der Wirt aus dem "Godewind" in Vitte erinnert allerdings eher an einen gemäßigten Altachtundsechziger. Sein Lokal ist urgemütlich. Etwas Pub-Atmosphäre mit regionalem Einschlag. Viel dunkles Holz, Kupfer, helle Fenster und: Ledersessel! Besseren Luxus konnte ich mir nach meinem zügigen Marsch von Neuendorf nicht denken. Und der zum Wernesgrüner servierte saftige Dorsch hätte mich beinahe verleitet, die Tickets für die letzte Fähre unter den Tisch fallen zu lassen.

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