Unter dürren Straßenbäumchen liegt zerfetztes Böllerrot wie abgeschneite Blütenblätter. Und im Fernsehen wirbt man bereits wieder mit Frühlingshaftem. Willkommen im neuen Jahr!
Zwei Monate lang hatte ich keine rechte Lust, etwas zu schreiben. Stattdessen quälte ich mich mit einer Jahresrückschau nach der anderen durch den Dezember und dachte über Johannes Heesters Altersweisheit nach: „Nie zurückblicken!“ Und das aus seinem Mund, Respekt! Aber ich mag die Rückschau genauso wie das Pläneschmieden. Rückschau aus einem warmen Zimmer heraus, wo man getrost überwintern kann hat immer etwas von wahrer Besinnlichkeit. Nur wenn es mir zu kuschelig wurde, zog ich meine Laufschuhe an und zog um die surreale Häuserkulisse.
Selbst in Berlin haben viele aus ihren Balkonen leuchtende Disney-Discos gemacht. Jemand schob einen mit Schmalfilmkamera im Einkaufswagen die Straße lang (Alles festhalten!), ein Sechsjähriger mit Polenböller in der Hand fragte mich nach Feuer ... Der ganz normale Wahnsinn. Aber dann auch Tschaikowskis „Nussknacker“ im detailverliebten Papiertheater (Paulinenhof, Sophienstraße 28/29) und ein Neujahrsspaziergang am Petzinsee. Diese Ruhe! Als sei die dünne Eisschicht des Sees daran schuld, oder Nebeldunst in der Ferne. Der Stein, den ich über das Eis hüpfen ließ wie ein übermütiges Pferd war zweckfrei und gab keine Anstöße. Aber er machte Geräusche wie Eisenbahnschienen, nachdem gerade ein Zug vorbeigefahren ist. Sommererinnerungen. Zirpende Grillen am Bahndamm. Wahre Poesie, Vor- und Rückblicke.
Was noch?
Ein Bekannter erzählte mir vom Auftritt eines geleasten Weihnachtsmannes - türkisch, jung und brauchte das Geld: „Ey Kleine, kannst du mir konkret Gedischt erzähln ...?!“ Sitcom wider Willen. Und doch irgendwie gut. Dabei fällt mir ein, dass Harald Schmidt sich zum Winterschlaf zurückgezogen hat, was ich verstehe und sehr bedaure. Weil Schmidt in der 1. Satire-Liga genialisch konkurrenzlos war.
Aber er ist ja nicht aus dem Leben und das Jahr hat erst angefangen. Ich glaube, es wird ein besonderes.
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