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Sonntag, 18. Januar 2004

067 | Thalbach & „Moon Thai“

Katharina Thalbach wird 50. So stehts im Feuilleton der Zeitungen. Ob´s ihr recht ist, dass es nun auch der letzte U-Bahn-Leser weiß? Es wird sie zumindest nicht stören. Denn in Interviews wirkt sie rotzig-locker wie eh. Und wenn sie über etwas nicht reden möchte (Schwächen von Kollegen oder wovon sie träumt), dann lässt sie es eben. Aber ihr Alter ...? Schließlich gehört Klappern zum Handwerk und schließlich fühlte sie sich immer schon wie ein „altes Kind“, was ich gut nachvollziehen kann. Immerhin erfahre ich mit der „50“ als Aufhänger einiges über ihr Leben, über ihre - wo preisgegeben - Persönlichkeit. Ob sie wirklich mit dem Wachsen aufhörte, weil ihre Mutter starb, ist schwer zu glauben, aber es ist zumindest eine interessante Theorie von ihr (und ihrem damaligen Arzt). Da war sie zwölf und hatte die 1,55 m erreicht. Seitdem: keinen Zentimeter mehr! Es erinnert mich an das Klein-bleiben-Wollen Oskar Matzeraths aus der „Blechtrommel“, dem Film, in dem ich Katharina Thalbach das erste Mal sah. Das war vielleicht auch ihre erste Filmrolle nach der Westausreise 1976. Besonders hübsch fand ich sie nicht, doch sie hatte was. Die Brausepulver-Szene empfand ich wortwörtlich als prickelnd, aber auch irgendwie eklig. Wie einen Zungenkuss mit sieben. Jetzt sieht sie aus, wie ich mir Frodos Mutter im „Herren der Ringe“ vorstelle: große Augen, kleiner Körper; gnomhaft & facettenreich. Und diese Stimme!

Dann nahm ich Frau Thalbach erst wieder (bewusst) als Mutter Ehrenreich in „Sonnenallee“ wahr und fand sie einfach großartig.

Im Theater sah ich sie nie. Bis vorgestern. Da gab sie den Mercutio im Berliner Gorki-Theater. Das „Romeo und Julia“-Stück hatte sie sogar selbst inszeniert.
Eine Frau als Mercutio, und dann noch die Thalbach, das ist mindestens so gewöhnungsbedürftig wie die Vorstellung, dass zu Shakespeares Zeiten nur Männer die Julia spielen durften. Aber es war gut. Sie sprach, soff, kotzte und pisste wie ein Mann, oder wie Frauen sich „richtige“ Männer vorstellen oder sie erlebt haben.
Was mich an dem Stück jedoch störte, war das Übersexualisierte, weil es aus dem Drama eine erigierte Hans-Wurst-Klamotte zu machen drohte: Mercutio poppte Benvolio, der Romeo dabei einen blies, Julia zwirbelte ihrer Amme die Brustwarzen usw. Bei Shakespeare gibt das Komische dem Tragischen die lebensnahe Würze, hier war manches einfach überwürzt, wie Minestrone mit Vanillesoße. Karikaturen statt Anspielungen. Von solchen Einlagen abgesehen hat mir die Vorstellung jedoch gefallen. Ein Bekannter war dagegen schwer enttäuscht „Die Thalbach soll schauspielen und nicht inszenieren!“, sagte er. Wer weiß.

Jedenfalls mag ich ihre erdige Art. Nachdem die großen Berliner Volksschauspieleroriginale mehr oder weniger tot sind, wird deren Herz-und-Schnauze-kleine-Leute-Mentalität von Katharina Thalbach bestens weiterverkörpert. Finde ich zumindest.

Da Frau Thalbach im Interview gestand, sie könnte den ganzen Tag lang essen, würde es sie vielleicht interessieren, dass ich in Charlottenburg zwischen vielen vor allem asiatischen Restaurants ein kleines, feines Thai-Restaurant entdeckt habe: „Moon Thai“ in der Kantstraße 32 (Nähe Savignyplatz). Da stehen auch bereits Autogrammkarten von Michael Schanze bis Herrn Olm an der Wand – was unkommentiert bleiben kann. Davon abgesehen ist der kleine Raum wirklich was fürs Auge: Stuckdecke und orange Wände, sphärische Musik und eine nette Kellnerin ohne Lächeln – reizvolle Kontraste. Das folkloristische Interieur wurde liebevoll nach Qualitätsmerkmalen ausgesucht, alles ist sauber, der Gast fühlt sich wohl. Mittags kann er entspannen, abends muss er vorbestellen. Das spricht vor allem für die Kochkünste des „Moon Thai“. Das Chicken-Sate besteht tatsächlich aus Hähnchenfleisch und nicht aus Pute (aber die Erdnuss-Soße im „Chez de Nhad“, dem vietnamesischen Bistro in der Mulackstraße 31, bleibt unübertroffen). Köstlich das doppelt gebratene Hähnchenfleisch mit Reis und Gemüse. Den Reis füllt man sich mit einem dunklen Holzlöffel auf, und dieses Bild (Reis auf dunklem Holzlöffel) ist einfach schon vollkommen! Allmählich macht sich eben in den unzähligen asiatischen Restaurants der Hauptstadt ein höheres Level bemerkbar. Das finden auch die Gastro-Kritiker des Tip-Magazins. Da wird beispielsweise das nagelneue „Cochin“ am Hackeschen Markt empfohlen (Neue Promenade 6). Und ich fürchte, ich muss da bald hin, auf der Suche nach der perfekten Erdnuss-Soße und vietnamesischen Gerichten ohne Koriander. Aber damit werde ich es wohl schwer haben.

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