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Samstag, 25. Juni 2016

161 | Vom Abenteuer, einen Roman zu veröffentlichen - Agenturen und Verlage


Wer sein mit Herzblut gesättigtes „Text-Baby“ klassisch veröffentlichen möchte, wendet sich direkt an einen Verlag. Sinnvoller ist es wohl, eine Agentur zwischenzuschalten. Die bekommt durchschnittlich 15 % des Autorenhonorars, handelt dafür aber auch bessere Konditionen aus. Das leuchtete mir ein.
Im Internet fand ich schnell Listen mit seriösen Agenturen. Darunter etliche, die auch Fantasy vertreten. Ein nettes Anschreiben, eine Leseprobe und ein Exposé waren schnell gemacht. Dann die Gretchen-Frage: einzelne oder mehrere Agenturen kontaktieren? Bei einer Bearbeitungszeit von bis zu drei Monaten fiel mir die Entscheidung leicht: Ich wandte mich an alle relevanten Berliner Agenturen. Der kurzen Wege wegen. Auch an eine, die sich auf skandinavische Belletristik spezialisiert hatte und beim Erstkontakt angerufen werden wollte.
Vor meinem Telefonat machte ich mir Notizen. Bloß nicht dilettantisch wirken. Als ich der Agentur-Chefin den Inhalt des Romans umreißen sollte, kam ich dennoch ins Stottern. Doch ich wurde verstanden und die Agenturchefin war an einer Leseprobe interessiert. Einige Tage später schrieb sie:
„Am Wochenende habe ich die Textprobe gelesen, die Sie mir netterweise gesendet hatten - und die hat meine Neugierde geweckt, so dass ich gern weiterlesen würde. Die beiden Hauptfiguren gefallen mir, Ihre Sprache ist wunderbar, und der Auftakt der Geschichte macht neugierig - würden Sie mir den gesamten Roman zusenden und mir ca. vier Wochen Zeit zum Lesen geben?“
Aber natürlich! Ich brachte „mein Baby“ sogar persönlich vorbei, mit jetzt ausgedrucktem Exposé und der Kurzvita.
Die Chefin war freundlich und freute sich auf die Lektüre, und soweit lief alles nach Plan. Nur blöd, dass ich nach den angekündigten vier Wochen keine Antwort von ihr erhielt. Aber ich wusste von einem Umzug in neu angemietete Büroräume; außerdem stand Weihnachten vor der Tür.
Am 6. Januar meldete sich eine Agentur-Praktikantin als Co-Leserin und erbat sich für das Manuskript ein Exposé. Aber das hatte ich doch mitgeschickt und mitgegeben! Na schön, das Umzugschaos. Per Mail bekam auch sie eines und ich war gespannt, wie mein Manuskript von der Chefin und ihr beurteilt werden würde.
Abermals verstrichen einige Wochen. Sechs, um genau zu sein. Dann meldete sich eine dritte Frau per E-Mail:
„Sie hatten der Agentur (...) im Herbst letzten Jahres Ihr Romanmanuskript "Viriditas" zugeschickt, vielen Dank dafür. Leider kamen wir wegen personeller Veränderungen erst jetzt dazu, dieses ausführlich zu prüfen. Ich muss Ihnen sagen, dass ich Ihr Buch gerne geprüft habe, aber doch von einer Vertretung durch unsere Agentur absehen möchte. Das soll keine Wertung sein, die Entscheidung beruht darauf, dass ich Ihren Text aus verschiedenen Gründen für schwer vermittelbar halte. Vor allem liegt dies an der inhaltlichen Ausrichtung: Durch die Zeitreise-Thematik bedingt hat er viele Elemente des historischen Romans, dies ist leider aber im Jugendbuch ein äußerst schwieriges Genre, wo die meisten Verlage eher verhalten sind. Zudem ist es mit zwei männlichen Protagonisten eher an die männliche jugendliche Zielgruppe ab 14 gerichtet, auch das ist im Jugendbuch ein Bereich, in dem verhältnismäßig wenig Verkäufe zu erwarten sind. Außerdem haben wir es mit einer etwas komplizierten Ausrichtung der Figuren zu tun: Patrick und Jakob sind 23, sie sind Studenten, und damit leider von der Lebenswelt der Zielgruppe doch sehr weit entfernt, noch mehr sogar, wenn sich später herausstellt, dass Jakob gleichzeitig sogar schon Vater ist. Dies alles sind Faktoren, die eine Vermittlung von vornherein schwer machen. Hinzu kommt, dass insgesamt eine Überarbeitung nötig wäre, der Roman müsste meines Erachtens nach um einige allzu ausgeschmückte Szenen gekürzt werden, um insgesamt die Handlung schneller zum Punkt kommen zu lassen und den doch recht hohen Umfang von fast 450 Seiten zu straffen. Auch sprachlich wäre eine Überarbeitung sinnvoll, um z.B. die Trennung von moderner Sprache und der Sprache des 16. Jahrhunderts noch konsequenter zu halten. Obwohl Ihr Schreibstil auch den Mitlesern hier in der Agentur durchaus gut gefallen hat, so möchte ich Ihnen wegen der beschriebenen Gründe für dieses vorliegende Projekt doch absagen. Für Ihren weiteren Weg wünsche ich Ihnen trotzdem auf jeden Fall alles Gute, mit freundlichen Grüßen (...)“
Von der Chefin und ihrer Praktikantin hörte ich nie wieder. Von der dritten Dame, deren konstruktive Kritik ich selbstverständlich annahm, auch nicht. Dabei verwirrte mich allerdings, dass sie von einem „Jugendbuch“ sprach. Als solches hatte ich mein Manuskript nie angekündigt. Seltsam. Und wie soll man die „Trennung von Sprache“ erreichen, wenn jemand aus der Gegenwart ins 16. Jahrhundert reist? Noch seltsamer. Immerhin bekam ich eine Ahnung davon, wie wichtig Leser- und Marktanalysen für den Bücherverkauf sind. Schließlich geht es um viel Geld.
Wegen der Seitenanzahl und geforderten Kürzung, die um 150 Seiten ja bereits erfolgt war, dachte ich mir: Die nächste Agentur wird den Wert meines „Rohdiamanten“ schon erkennen und von ihrem Lektor aufpolieren lassen. So schrieb ich guten Mutes weitere Literaturagenten an, drei auf Wunsch sogar postalisch. Vierzig waren es insgesamt, verteilt auf den gesamten deutschen Sprachraum. Einige große reagierten nicht, doch die meisten „prüften gerne“ mein „Projekt“.
Nach ein bis zwei Monaten kamen die Absagen. Das ernüchterte und sorgte für Zweifel. Was, wenn mich keine Agentur vertreten würde? Wie groß wäre dann meine Chance, direkt bei einem Verlag zu landen?
Nicht sehr groß, erfuhr ich bei einem Schreibseminar, das ich in der leidigen Wartezeit besuchte. Von den jährlich unverlangt eingesandten dreitausend Manuskripten (!) pro Verlag würde kaum mehr als eines (!) veröffentlicht. Weil Verlagsprogramme im Schnitt nur acht freie Plätze für Publikationen vorsähen. Von denen gingen fünf an Hausautoren und ein bis zwei an zu übersetzende Neuentdeckung von der Buchmesse. Tja, und die ein bis zwei „Projekte“ von No-Names (am besten Thriller oder Politkrimis) müssten schon sehr, sehr gut sein. Die Zeiten, wo Manuskripte von einem Lektor liebevoll optimiert wurden, wären längst vorbei. Bedauerlich, wenn dann noch ein Debüt mit Bestseller-Potential ausgesiebt würde, weil das Anschreiben fehlerhaft sei oder das Exposé unprofessionell daher käme.
So also sah die Wirklichkeit eines hart umkämpften Marktes aus. Und ich hatte immer gedacht, es käme allein auf das Werk an. Aber schön, ein letztes Mal wollte ich es wissen und schickte fünf großen Verlagen mit Fantasy-Programm per Post eine Leseprobe mit optimiertem Exposé: Heyne, S. Fischer, Klett-Cotta, Bastei-Lübbe und Aufbau. Für die Anschreiben, hatte man mir beim Seminar empfohlen, sollte ich mich mit dem aktuellen Verlagsprogramm vertraut machen und unbedingt telefonisch die „konkreten Ansprechpartner“ herausfinden. Bloß kein „Sehr geehrte Damen und Herren“, damit hätte ich bereits verloren. Empfangssekretärinnen gäben in der Regel bereitwillig Auskunft.
Das stimmte, letzten Endes klappte es aber nur bei Klett-Cotta. Denn keine Sekretärin konnte voraussagen, auf wessen Schreibtisch mein A-4-Umschlag landen würde. Dafür gäbe es in den großen Verlagen einfach zu viele Lektorate.
Drei Monate, las ich auf den Homepages, würde ich wieder warten müssen. Doch da ich mir kaum Erfolg ausrechnete, wollte ich die Zeit sinnvoll nutzen und Plan B vorbereiten: am offenen Ende von „Viriditas“ weiterschreiben und die geplanten 600 Normseiten als E-Book anbieten.

(Fortsetzung folgt)

Zum 1. Teil von "Viriditas"

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