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Sonntag, 14. Oktober 2001

Mitte Oktober

Es riecht nach Pappellaub und Teer.
Die Rasseln der Grillen liegen im Graben,
Vom Blattgold schwer
Bedeckt. Hält sich der Herbst
Die ersten Raben, treibt Glücksklee
auf falschgeldgrünen Wiesen
noch letzte Blüten.
In Waben des Nachmittags
Verträumt neue Einsamkeit
Entschlafene Sommermythen.

Die Landschaft: lässt sich seltsam lesen
Wie ein Gedicht, das sacht zerfällt.
Die Zeit: schlägt taktlos ihre Hiebe
An Lattenzäune. Gegen das Verwesen
bellt von winterfesten Höfen der Kettenhund.
Und: Im Haus der Liebe, hinter traurig warmen Öfen,
Hecken Ratten die alten Ängste aus
Wenn - Scheit um Scheit - verbrennt,
Was langsam wuchs, das, was wir hatten,
Und keiner mehr beim Namen nennt.

Kennt uns die müde Alte dort,
Die barfuß und mit schwarzem Blick der Sonne folgt
Wie einem Ort, an dem es keine Schatten gibt?
Fand sie kein Auge, um darin zu überwintern,
Bis eine Träne taut? Sie geht mit dem Jahr,
Mit den Jahren. Die Landschaft kippt ihr hinterher.
Und wir: Wir scharen uns um das, was bleibt,
erwarten, dass der Frühling graut, der Winter siecht.
Wir sehn uns spiegelbildlich schweigend an
und atmen tief: Es riecht nach Pappellaub und Teer.