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Montag, 22. Juni 2015

142 | Gutes Essen, gute Bücher



Wenn ich nach meiner Lieblingsfarbe oder meinem Lieblingsessen gefragt werde, habe ich selten eine schnelle Antwort zur Hand. Höchstens, wenn ich meine Ruhe haben möchte. Schwarz sage ich dann, obwohl eigentlich keine Farbe, Blau oder Rot. Je nach Lust und Laune. Und beim Essen? Sushi. Überhaupt Fisch. Und Meeresfrüchte, Steaks, weißer Spargel, Wassermelone. Aber auch Hühnersuppe, Rinderroulade oder Grüne-Bohnen-Eintopf. Mal asiatisch, mal italienisch, manchmal deutsch. Egal, ob gegrillt, gekocht oder gebraten, Hauptsache, gut gemacht.
Beim Lesen bevorzuge ich überwiegend Klassiker. Vor allem deutsche, russische und US-amerikanische. Mit einigen bin ich inzwischen vertraut (auf den Geschmack gekommen), andere liebe ich.
Es gab Zeiten, da habe ich Heine, Hesse, Hamsun und Thomas Wolfe verschlungen, Dostojewskij und Hemingway. Und es gibt Schriftsteller wie Thomas Mann, die meisterhaft schreiben, mich aber nicht wirklich berühren. Alles eben eine Frage des Geschmacks.
Statt wohldurchdachter, oft bürgerlich anmutender Lang-Sätze mag ich das treffend Kurze, Salopp-Freche oder berührend Ungewöhnliche. Ich will mit eigenen Erfahrungen vergleichen und in Erstaunen gesetzt werden. Keine Buddenbrook-Wohnzimmer oder Elfenbein-Türme à la Tellkamp, sondern Holzhütten (Thoreau) und Absteigen (Bukowski). Oder Autos wie in „On the road“.
Ich mag das Authentische bei Buchheim („Das Boot“, „Die Festung“) oder das Subkulturelle bei Sven Regener („Herr Lehmann“); ich schätze gute Sprache und Inhalte. Schriftsteller wie Arno Schmidt oder James Joyce irritierten mich jedoch. Weil ich zu jung war oder nicht ihrem Zielpublikum entsprach. Mag sein, dass es heute anders ist, schließlich kam ich bei Oliven auch erst spät auf den Geschmack. Aber es wird dauern, bis ich mich erneut auf unkonventionelle Schreibstile einlasse. Bis dahin gönne ich mir weiterhin die scharf abgeschmeckten Texte eines Tucholsky, die Lakonie Raymond Carvers, die Dringlichkeit Wolfgang Borcherts und die Beschreibungen T. C. Boyles.
Mag sein, dass es ein Fehler ist, Autoren wie bei einer Dating-App einfach wegzuwischen (Virginia Woolf, John Irving, Joseph Conrad), aber für einen zweiten Blick ist mir die ohnehin begrenzte Lesezeit noch zu kostbar. Meine Vegan-Challenge muss ich so schnell ja auch nicht wiederholen.

Samstag, 13. Juni 2015

141 | Eines Tages



Neulich sagte mir jemand, dass angehende Romanautoren über fünfunddreißig keine Chance hätten, einen Verlag oder eine Literaturagentur zu finden. Er hörte in einem Radiobeitrag, dass es entsprechende Untersuchungen gäbe.
Mein erster Gedanke: Quatsch! Qualität setzt sich durch. Und die ist in Romanen älterer Semester wohl eher zu finden. Da genug Zeit vergangen ist, um das Leben auszuloten und das Schreibwerkzeug zu beherrschen.
Mein zweiter Gedanke: Finde den Beitrag im Internet.
Aber ich fand nichts. Und hielt an meinem ersten Gedanken fest.
Doch wer sagt mir, dass mein Romanerstling, von dem ich nach wie vor überzeugt bin, die Qualität besitzt, die er braucht, um gedruckt und gekauft zu werden? Reicht das Urteil meiner Testleser? Reicht meine Schreibkompetenz?

Der Roman entstand, nachdem ich ein Kindheits-Erlebnis mit einem Zeitungsbericht vereint hatte. Das war die Initialzündung, die kreative Befruchtung. Und daraus erwuchs und gedieh etwas Neues. Etwas, das gefühlt schon immer da war und lebte, nun aber raus wollte.
Als ich das überarbeitete Manuskript in meinen Armen hielt, nachdem es mich über Jahre beschäftigt hatte, war ich erleichtert, stolz und glücklich. Was auch sonst. Wie Mutter und Vater in einem. Doch ahnte ich nicht, wie schwer es sein wird, einen Agenten für mein Baby zu finden. Jemanden, der auch geschäftlich daran glaubt, es liebevoll lektoriert und optimiert.

So heißt es immer noch warten. Und den Dornröschenschlaf meines Geisteskindes behüten. Aber eines Tages - das glaube, weiß und fühle ich - wird es erwachen, den Mund weit öffnen und von sich hören lassen.

Sonntag, 7. Juni 2015

140 | Waldläufer



Der heutige Sonntag hat seinem Namen alle Ehre gemacht. Ich war im Brandenburgischen und durchstreifte den Wald. Sah Ameisenhaufen, eine Eidechse, einen Hasen und den ausgehöhlten Rest von Ringelnatz´ „Blindschl“.
Und weil ich an Borges´ Gedicht „Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte“ und den Wunsch, mehr barfuß zu laufen, dachte, zog ich kurzerhand die Schuhe aus und ging über Stock und Stein, Gras und Moos und leider auch so manchen Kienapfel.
Mir fiel Thoreaus „Walden“-Projekt ein und - beim Anblick einer verlassenen Baumhütte - die Kletterbäume meiner Kindheit. Ich fand die Idee für eine Erzählung und vertiefte mich darin, bis ich von heranbrummenden Juni-Käfern weitergetrieben wurde.
Plötzlich, neben dem halb überwachsenen Pfad, der Schrei eines Vogels, eines Jungvogels, welcher flugunfähig und verängstigt ins Gesträuch hüpfte und mich von dort aus mit riesigen Augen ansah. Für eine jugendliche Drossel schien er mir zu groß. Vielleicht war es ein Kuckuck, den man - Ironie des Schicksals - aus dem Nest geworfen hatte. Ich überließ ihn sich selbst und zog auf sonnenfleckigen Wegen weiter durch zeitlosen Raum, wo es summte und duftete, nach Robinienblüten und frisch geschlagenem Holz. Die noch stehenden Kiefern reckten sich knisternd in den warmen Nachmittag. Darüber, über allen Wipfeln, die gähnend gelassene Ruhe eines himmlischen Blaus.

Freitag, 5. Juni 2015

139 | Zwischenstand


Na schön, so ein Blog will gepflegt werden, sonst kränkelt er wie das Basilikum auf meinem Balkon. Was gibt es also Neues?
Gestern, beim Laufen im Park, habe ich mal wieder Lieder von Hans-Eckardt Wenzel gehört. Und dabei gedacht: Ich liebe sie noch immer, die alten und einige neue. Von ihnen und Parkimpressionen inspiriert, kam ich mit einer Schreibidee nach Hause, die ich gleich nach dem Duschen am Laptop festhielt.
Und sonst? Neben der umfangreichen Arbeit am zweiten Teil meines Roman-Erstlings schreibe ich hier und da Kurzgeschichten, schule mein Handwerk, probiere was aus. Eine Sammlung von Storys zum Thema „Songs“ schwebt mir vor. Vier Geschichten stehen bereits. Mal sehen, was am Ende dabei herauskommt.
Außerdem bin ich immer noch auf der Suche nach einer Literaturagentur für den ersten Roman-Teil. Und ich habe mir fest vorgenommen, mich nach Jahren an Literaturwettbewerben zu beteiligen und mich mit anderen Autoren zu vernetzen. Um endlich wieder etwas zu reißen. Wenn es soweit ist, werde ich darüber berichten. Wenn nicht, philosophiere ich über die Kunst des Scheiterns.
Mein momentaner Lesestoff nach T.C. Boyles „Hart auf Hart“ ist Reiner Stachs dreibändige Kafka-Biografie, die mich restlos begeistert.
Und dann spukt mir seit gestern Hemingways Imperativ „Schreibe einen wahren Satz!“ durch den Kopf. Vielleicht sollte ich mir das zur Tagesaufgabe machen. Denn nur aus leidenschaftlich verarbeiteten wahren Sätzen entstehen Gedankengebäude, in denen sich der Leser zu Hause fühlt.