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Dienstag, 29. April 2003

052 | Mallorca

Dass man sich in bestimmten Kreisen für einen Mallorca-Urlaub schämen muss, ist schon lang passé. Zu Fuß, mit dem Rad oder Mietwagen im April die mohndurchglühte Landschaft erkunden – wunderschön! Und wer es schafft, fernab der Touristenhochburgen in einer Finka unterzuschlüpfen, ist tatsächlich der König von Mallorca.
Ich hatte nicht das Glück, wohnte vasallenhaft sechs Tage in einem Drei-Sterne-Hotel in Cala Ratjada, aber immerhin.
Wenn die Insel aus dem Winterschlaf erwacht, zählt der Frühling schon als deutscher Sommer. Durch braune oder rosarote Sonnenbrillen sieht man alles klarer und verklärt zugleich. Wünsche stellen sich ein oder werden eingestellt. Menschen therapieren sich vom Alltag. Eine Möwe weist jedem den Weg zum Strand.
Das Meer war hellblau und hatte dunkle Algenfelder zusammengespült. Den fischigen Geruch inhalierte ich andächtig und erinnerte mich verflossener Momente.
Gleiche Momente an anderen Meeren, das gleiche Meer zu anderen Zeiten. Am Anfang ein Mehr, am Ende ein Weniger. So gleicht sich die Natur still und weise aus.
Von einem Leuchtturm aus lichte Rundumblicke wie vom Rügener Kreidefelsen. Die Spielzeugboote da unten spiegelten Flugzeuge unterm Himmel wieder und zogen weiße Spuren hinter sich her. Und ich befand mich im Fahrwasser der höchsten Entspannung.
Nach einem Strandtag und einer Radtour wanderte ich zum Markt nach Capdepera , dem Nachbarort, und besichtigte dort die mittelalterliche Burganlage. Geländer fehlen an den Mauergängen, in Deutschland undenkbar.
Dann weiter zu den Höhlen von Artá. Direkt an der Küste scheint der gigantische Eingang antiken Exil-Titanen Unterschlupf gewährt zu haben. In Wahrheit hausten dort einst berüchtigte Piraten, was jedoch spektakulär genug ist. Die oberen Felsen sind noch ganz schwarz von ihren rußenden Fackeln und Signalfeuern.
Auf dem Rückweg entdeckte ich in Capdepera einen Geheimtipp: das „Café l’Oriente“ am gleichnamigen Platz. Hier lässt es sich in dem sonst unscheinbaren Städtchen wunderbar ausruhen. Tapas und kalter Weißwein am warmen Nachmittag, dazu sehr freundliche Bedienung und – keine Touristen! Was will man mehr. (Dass ich selbst ein Tourist war, wollte ich natürlich nicht wahrhaben.)
Abends entpuppt sich das Café als gepflegte Jazz-Kneipe. Einheimische Intellektuelle reisen von allen Enden der Insel an, um der Musik zu lauschen, der ich selbst nichts abgewinnen kann. Ich habe es bei einem halben Liter Roten dennoch ganz gut aushalten können.
Der mallorquinische Wein ist allerdings nicht so berühmt. Einzig in Palma, im „La Drassana“ (am Placa de la Drassana) hat er mir geschmeckt. Auch ein Geheimtipp. Und auch keine Touristen.
An anderen Abenden joggte ich durchs Unterholz und immer auch die Strandpromenade entlang, um mich für das viel zu üppige Hotelessen fit zu machen. So gefiel mir der Urlaub. Zum Schluss war es jedoch gut. Ich war braungebrannt, hatte ein paar Herzenssteine auf die Feldmauern abgewälzt und mich mit Leichtigkeit erfüllt. Somit freute ich mich auf Berlin, hatte Sehnsucht nach meinem Alltag, meinem Rhythmus und dem der Großstadt. Zu viel Müßiggang lässt einen nur aus dem Tritt kommen, statt die Monotonie im Lauf der Dinge neu zu definieren. Und sich auf große Sprünge vorzubereiten.

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