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Sonntag, 6. April 2003

051 | Als wär alles gut

In Berlin soll es heute schneien, aber draußen scheint die Sonne. April, klar. Ein Wetter so unbegreiflich wie das, was im Irak passiert, ursächlich: in amerikanischen Regierungskreisen. Aber davon will ich nicht auch noch reden. Ein klares „Nein!“, eine für die Alliierten langwierige Diskreditierung und erst mal Punkt. Denn das Ganze ist größer als dieser Krieg und wird noch Jahre dauern.
Also Kräfte sammeln für kommende Ausrufezeichen. Wie Freitagabend in der Mulackstraße. -
Ein winziges vietnamesisches Bistro im einstigen Berliner Spelunkenviertel. „Chez de Nhad“ – was immer das heißen mag; Restfranzösisch aus der letzten Indochina-Zeit. Im Raum für 10 Gäste jedoch nichts kolonial Verklärtes: Ein Tresen mit zwei ausgelegten Büchern und Prospekten vom kleinen zähen Land, dahinter 4 Kartons mit „Saigon“-Bier. An den blutroten Wänden schwülstige Erotikkunst und eine für 100,-€ wohlfeile handgefertigte Kitschvase davor.
Zuckersüße Asia-Schlager stimmen auf die angenehm scharfen Speisen ein. Das meiste gibt es für 5,-€. Die Wan-Tan-Suppe ist mehr als bloße Vorspeise - klare Bouillon mit frischem Gemüse und von einem Schuss Sesamöl abgerundet. Im Inneren der Nudeltäschchen eine zitrusartige Hackfleisch-Ingwer-Mischung. Dazu ein schaumiger Cocktail aus Kokosmilch, Ananassaft, Banane und weißem Rum auf Eis. Eben die Mixtur, die meine europäische Zunge für Exotik hält. Der Hauptgang: Chicken-Sate. - Kurkumagelbe Hähnchenbrustspieße mit Erdnuss-Dip, dazu vom Dressing abgekühlte Reisnudeln. Und zu meiner Freude ohne Koriander!
Aber erst das Dessert zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht: Warmer Bananenpudding mit angerösteten Erdnuss-Splittern! Genug. Und satt!
Serviert bekam ich alles im zuweilen leeren Raum von einer bezaubernden kleinen Vietnamesin, während draußen dunkelkalter Wind ging.
Sie besitzt neben der für Asiaten typischen zurückhaltenden Höflichkeit eine naive Liebenswürdigkeit, wie sie sonst nur kleinen Kindern eigen ist. Deshalb freute ich mich über ihr „Hat smacked it?!“ ohne jeden Anflug von Belustigung und versprach wiederzukommen.
Gestern dann durch den Friedrichshain. Die „Em-Bar“ in der Gabriel-Max-Straße war auch nach der Happy-Hour recht voll. Kleine Gesellschaften, die um die Wette rauchten, lachten, sich genügten oder vergeblich hofften, zu erobern oder erobert zu werden. Am Ende blieb für einige nur ein weiterer Cocktail und ein Ausdruck im Gesicht, als hätte der Winter gerade begonnen oder würde noch lange bleiben.
Egal wie - gleich werde ich durch den Volkspark Friedrichshain joggen, meine Runden um die neue Sportanlage drehen, über die letzte Woche ein auswärtiger Skater bemerkte, man sehe ihr die typische sozialistische Bauweise an ...
Letzte Woche lagen da auch die sportiven Sonnenjunkies um den Beach-Volleyball-Pool wie um einen ausgetrockneten Sommersee, als warteten sie auf die Wiederkehr des Wassers. Mal sehen, was sich da heute tut. Vielleicht eine Schneeballschlacht. Wenn das in Kriegszeiten zulässig ist. Und Punkt.

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