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Sonntag, 27. Oktober 2002

040 | Noch 'ne Party

Gestern war ich zu einer Wohnungs-Einweihungsparty geladen. Mehr so ein ruhiges sit in. Die Schuhe konnten angelassen werden. Keine Selbstverständlichkeit bei Einweihungsfeiern. Obwohl es um 21.00 losgehen sollte, kam – wie immer - vor 23.00 kaum jemand. Verstehe ich nicht. Man hätte doch viel mehr von einer längeren Nacht. So macht mich das Warten müde und jeder Neuankömmling wird – statt mit Neugierde - mit dezentem Gähnen begrüßt. Was machen die Leute überhaupt so lange zu Hause? Wenn ich die Zeit vor dem Fernseher überbrücken will, komme ich von Stunde zu Stunde immer schwerer hoch.
Na immerhin hatte ich um 22.00 das Vergnügen, mit 8 Frauen in der Küche zu sitzen und sie zu belauschen:
Eine interessierte sich für die erleuchteten Hof-Fenster des Nachbarhauses. Mit einem Fernglas, sagte sie, könne man da abends wunderbar reinschauen. Aha. Sehr aufschlussreich. Es wurde sich über Jobs & Wirtschaftskrise unterhalten, aber auch über Netzstrumpfhosen, Frisuren, Klatsch & Tratsch. Natürlich lassen sich Frauen nicht auf diese Klischee-Themen reduzieren, aber diese Themen haben für Frauen offenbar den großen Unterhaltungswert, den man ihnen nachsagt. Auch wenn es nicht für alle Frauen zutrifft. Gespräche über Fußball und Autos interessieren mich ja auch nicht, wohl aber die meisten Männer.
Eine der Frauen trug ein schwarzes Motörhead-T-Shirt, sah sonst aber nicht nach Schwermetall aus. Auf meine Frage, ob sie Motörhead höre, sah sie mich verständnislos an. Motörhead hören? Sowas gehe doch gar nicht. Nein, aber das Logoprint gefalle ihr. Ich verstand. Sie war Designerin. Die Gastgeberin – aus dem westlichsten Westen des Landes – erklärte nicht ohne Stolz, wo sie ihre 70er-Jahre-Ostalgie-Möbel herhabe. So so. Eine Lampe erkannte ich von früher wieder. Wie ein vertanes Foto aus Kindertagen. Eine werdende Mutter naschte sich durch Pizza, Couscous und Nachos, zwei Freundinnen sabberten bei jedem Klingeln nach potentiellen Männern. (Kein neidischer Machospruch von mir, sondern das Zitat einer Frau.) Und der Mann, der nach mir kam, führte sich wie ein Hybride aus Hahn und Hirsch auf, bis er als uninteressant geschnitten wurde. Bessere Männer zogen später nach und einige Frauen wie Magnete aus der Küche ins Wohnzimmer ab. Oder sie blockierten gemeinsam den engen Korridor dazwischen. Wer sich zum Bad durcharbeiten musste, sah aus wie ein praktizierender Tai Chi-Anhänger. Wenn er oder sie nicht gerade über ein Glas zuviel stolperte. Und der Sitzplatz war dann weg. Ich auch gegen 2.00. Wie bei der „Reise nach Jerusalem“. Warum eigentlich nach „Jerusalem“?

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