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Montag, 7. Oktober 2002

034 | Weingut Weber und die Elsass-Tour

Gestern nur Regen. Das heißt lange schlafen und dann schön heizen. Natürlich gibt es hier in der Ferienwohnung Heizungen, aber eben auch den Ofen. Der Romantik und besseren Wärme wegen.
Am Nachmittag reichte das aber nicht mehr, ich musste raus. Von meinen Wirtsleuten ließ ich mich in Sachen Weingüter beraten. Sie beziehen ihren Weißen immer beim Winzer Werner Weber (sic!) aus Ettenheim. Zwar kein Kaiserstuhl-Wein mehr, sondern - als "Randerscheinung" - vom Kaiserberg, aber dafür nicht schlechter. Rotwein wird in Baden übrigens kaum angebaut.
Die Webersche Straußenwirtschaft hatte den letzten Tag im Jahr auf. In einer ausgebauten Scheune mit allerhand Weinbauernstaffage war es gästemäßig voller, als ich dachte. Der Hausherr, eine imposante Erscheinung, bediente persönlich. Souverän und freundlich. Sah aus wie Iwan Rebrow mit blauem Kittelhemd und Lederhut.
Für 7,50 € schlürfte ich mich durch 6 Weinproben: Müller-Thurgau, Riesling Kabinett, Grauburgunder, Weißburgunder, Spätburgunder, Rosé. Oje! Dazu Brot zum Neutralisieren und: Zwiebelküchle für den Geschmack. Der Zwiebelkuchen unterscheidet sich eigentlich in nichts vom Flammkuchen. Das ist bei der elsässischen Nachbarschaft aber auch - wortwörtlich - naheliegend.
Mein Wein-Favorit war der Webersche Riesling. Schön süffig, frisch und mit Restsäure. Passt gut zu Meeresfrüchten, und die mag ich sehr gern. Also gleich einen Karton mit 6 Flaschen für den grauen Berliner Winter ins Auto.
Heute war besseres Wetter. Scheint sich hier immer im Zweitages-Rhythmus abzuwechseln. Es ging ins Elsässische. Mit der Fähre bei Rhinau übergesetzt und die Landstraße südwestwärts weiter. Eigentlich hatte ich mit Kohlfeldern gerechnet, weil doch das Elsass für sein Sauerkraut mindestens genauso bekannt ist wie für seine wechselvolle Geschichte. Aber statt dessen sah es wie im Badischen aus: Neben Wein wurde fast nur Mais angebaut.
Bei Séléstat sah ich mir die Haut Koenigsbourg an, die Kaiser Wilhelm nach der Jahrhundertwende mit neoromantischen Intentionen wieder aufbauen ließ. Auf Kosten der noch erhaltenen Teile und des damaligen Reichslandes Elsass-Lothringen. Und so wirkt alles etwas seelenlos-kulissenhaft. Deutsche Wertarbeit am Fuße der Vogesen eben. Wenigstens der Ausblick von den 720 Höhenmetern beeindruckte mich. Und wäre da nicht dieser Dunst gewesen, ich hätte bis in den fernen Schwarzwald blicken können.
Weiter ging es nach Ribeauvillé. Ein lieblicher kleiner Weinort, mit lieblichen kleinen Fachwerkhäusern. Die Touristen sind noch zu verschmerzen wie die Preise. Für 11,- € bestellte ich mir zu einem Regionalbier "La Choucroute", einen mit Würstchen, Kasseler und Speck garnierten Sauerkrautberg, unter dem sich zwei Kartoffeln versteckten. Klingt nach unzeitgemäßer deutscher Küche, und eigentlich ist mir alles Mediterrane lieber. Aber ich muss gestehen: diese landestypische Spezialität war schlichtweg köstlich. Das Kraut ohne Kümmel und Süße, die Würstchen schmeckten nach Rauch, und das Fett konnte ich ja vom Fleisch abschneiden.
Ich saß vor dem Restaurant in der letzten Sonne des Jahres und überblickte den ruhigen Besucherstrom, der entspannt wie der Rhein durch die Grand'Rue floss.
Ein Nachbarort - Riquewihr - war das ganze Gegenteil: deutsches Disneyland für Rentner. Weihnachtsmarktartige Buden, Patisserien, Musik, Gedränge, zwei Museumsbesuche zum Preis von einem ... Fast glaubte ich, vor den offenen Weinkellern "Happy Hour"- Tafeln zu entdecken. Aber nein, selbst fürs Parken und Pinkeln wird man in dem 1000-Seelen-Ort zur Kasse genötigt. Also nichts wie weiter.
In Colmar, wo ich abends anlangte, muss man zwar auch Parktickets ziehen, aber nicht zu überteuerten Preisen. Selbstverständlich hat Colmar auch ein Münster, aber da ich davon erst einmal genug habe und mich auf das Straßburger freue, ersparte ich mir den Besuch. Außerhalb des historisch-lauschigen Zentrums wirkt die Hauptstadt des Oberelsass gewöhnlich. Im Champ de Mars, dem Stadtpark, lungerten zwielichtige Gestalten rum, dahinter das Allerweltsbahnhofsviertel.
Für den Isenheimer Altar von Grünewald, den ich mir unbedingt ansehen wollte, war es zu spät. Den gibt es tagsüber im Musée d'Unterlinden als Glanzlicht deutscher Frührenaissance zu sehen. Für mich blieben nur diverse Außenaufnahmen von gleichaltrigen Gebäuden. Einige noch mit den typischen glasierten Dachziegeln im grün-gelben Rautenmuster.
Bevor es völlig dunkel wurde, fuhr ich über die Rheinbrücke von Breisach zurück ins unbequeme Vaterland und staunte einmal mehr, wie leicht das geht, so ganz ohne Zollkontrollen.

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