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Sonntag, 1. September 2002

028 | Lange Nacht der Museen

Für die Nicht-Berliner: Die lange Nacht der Museen ist so etwas wie ein Wochenend-Buffet mit Seelenköstlichkeiten, wobei das Auge nicht nur mitisst, sondern regelrecht frisst. Mit 12,-_ war ich wieder dabei. Die Türen sämtlicher Museen und öffentlicher Verkehrsmittel standen mir theoretisch bis in die Morgenstunden offen. Aber wie das so ist bei Buffets – irgendwann kann man nicht mehr.
Doch vorerst fand ich jede Menge Genuss in der Alten Nationalgalerie. Das erste Mal nach der Wiedereröffnung vor einem halben Jahr. Es war umwerfend! Große helle Aufgänge mit rotem Teppich, ein Wandfries von Arminius, der die Römer besiegte, über Goethe, Schiller bis hin zu den nachgeborenen Klassizisten, die sich freiwillig den Römern ergaben, glänzender Marmor, Säulen, Skulpturen, Bilder. Und Besucher, die manchmal Alarm auslösten, weil sie der Kunst zu nahe kamen. Das Aufsichtspersonal hatte Adrenalinschübe ohne Ende, bis es von den besänftigenden Klängen eines Lautenspielers halbwegs beruhigt wurde.
Den heimlichen Spaß, "Leute zu gucken" machte ich mir diesmal nicht. Was unbedingt für die Qualität der Ausstellungsgegenstände spricht. Hier begeisterte mich die meisterliche Pinselführung bei Stadtansichten, da die Farben von Idyllen. Dann der Zauber der Lichtverhältnisse und nicht zuletzt eine unerwartete Motivwahl wie die des fleischige Fußes eines Malers in Öl.
Alles wird in den 3 Etagen epochenweise präsentiert: Historisierendes, Romantik, Realismus, Impressionismus, Jugendstil ... Der Expressionismus fehlt oder ist mir entgangen.
Von den großen Malern wie C. D. Friedrich, Böcklin, Leibl, Liebermann & Co gab es etliche ihrer bekanntesten Werke. Friedrichs "Mönch am Meer" lud mit seinem frechen Mut zum leeren Raum zur Selbstreflexion ein, zu der ich jedoch keine Lust verspürte. Manets "Im Wintergarten" erzählte mir dagegen - diskret wie die Musik des Lautenspielers - eine intime Geschichte. Und wer kann da schon weghören.
Nach 3-4 Stunden ging ich rüber ins Pergamonmuseum. Doch es machte auf mich genauso wenig Eindruck wie zu Kindertagen. Da waren nur kalte, wenn auch bedeutsame Steine, aus denen ich kein Feuer zu schlagen wusste.
Gegen ein Uhr war dann auch die Kraft, noch ins Nikoleiviertel zum Zille-Museum und ins Ephraim-Palaise zu wandern, aufgebraucht. Sie reichte bloß noch zum Sitzen und Sekt trinken. Und das war ja auch die versteckte Botschaft, die mir in der alten Nationalgalerie von den meisten Malern zugeflüstert wurde: das Leben immer trinken, wo sich die Gelegenheit bietet, in vollen Zügen und bis zur Neige. Carpe diem und gute Nacht.

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