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Freitag, 3. Mai 2002

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Die Mai-Krawalle in Berlin waren mal wieder von der heftigsten Sorte. Und das bei strategischer Zurückhaltung seitens der Polizei und nicht mal eine Woche nach Erfurt. Es wurde bei diesem extremistischen Räuber-und-Gendarm-Spiel kurzerhand geplündert, wo weitgehend die Gendarmerie fehlte. Schon mittags lag eine sonderbare Stimmung in der Luft. Vom Alexanderplatz kamen chronische PDS-Wähler mit verbissenen Gesichtern und angesteckten Plastiknelken aus DDR-Restbeständen. Die Punks vor dem Galeria-Kaufhof waren auch nicht besser drauf. Nur zwei unter Drogen stehende Schwule mussten hysterisch über alles und jeden lachen. Glückliche Narren.
Dessen ungeachtet oder zum Trotz schlenderte ich rüber zum Hackischen Markt und gönnte mir mein kleines Glück in der Rosenthaler Straße 46/48. Dort gibt es nämlich bei "Bagels & Bialys" die leckersten Wraps, die ich kenne. Anschließend setzte ich mich Ecke Neue Schönhauser vor dem Selbstbedienungs-Café "Caras" und entspannte in der Sonne. Das heißt, wenn gerade keine Straßenbahn um die Ecke bog, konnte ich wunderbar zum Latte verdauen und darüber nachdenken, warum Autonome die Arbeiterschaft vertreten wollen, obwohl sie in ihrer schwarz-weiß oder schwarz-rot verkleideten Zerstörungswut nicht mal deren geschaffene Werte respektieren. Meinen Sympathiebonus haben sie schon längst verspielt. Natürlich ist nicht jeder Demonstrant ein Autonomer, aber Blut klebt im Gedächtnis länger als mahnende Worte.
Ach, was wäre das Leben doch süß, wenn stattdessen nur so was wie die rot-duftende Zuckermasse aus der Bonbon-Macherei der Heckmann Höfe (Oranienburger Straße 32) fließen würde, die ich gestern entdeckte. Dort kann man nämlich zusehen, wie beispielsweise Himbeerbonbons gemacht werden und sie anschließend auch handwarm probieren. Man kann außerdem, statt auf die bittere Gesellschaft zu spucken, saure "Maiblätter" lutschen und sich an vergangene Zeiten erinnern. Oder seinen Frieden mit der Gegenwart machen. Es sei denn, man muss abends durch Mitte oder Kreuzberg fahren und stellt fest, dass es aus sinnlosen Gründen wieder kein Durchkommen und Rankommen gibt.

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