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Sonntag, 3. Februar 2002

008 | Binz/Rügen

Während heute Nacht in Britanien ein Sturm tobte, schlief ich wie von sanften Wellen gewiegt. Ganz nach der Binsenweisheit, dass Seeluft müde macht. Der Morgen erschien strahlend. Es wurde einer der seit 100 Jahren wärmsten Februartage. Am Strand und auf der Promenade flanierte behagliche Bürgerlichkeit. Nur die stimmbrüchig frotzelnden Teenies vor dem Kurhotel erinnerten wieder an das Leben außerhalb der Idylle. Ich wanderte gut 4 km nach Prora, einer unvollendeten "Kraft-durch-Freude"-Geisterstadt mit späterer NVA-Okkupation, was den Komplex also auch nicht gerade mit Leben erfüllte. Jetzt ist allerdings der Hochgeist in einige Räume gezogen, in Gestalt von Ausstellern oder Künstlern wie dem Maler Klaus Böllhoff. Den Bohemian erkennt man sofort am orangen Filzhut und den braunen Zähnen. Das Gespräch mit ihm ist angenehm entspannt. Irgendwie erinnert er mich an Beuys. Seine und die Bilder unterschiedlichster Herkunft lassen sich im menschenleeren Erdgeschoss gut betrachten. Ich stelle immer wieder fest, dass sich diese Reise gelohnt hat. Nach dem Kunstgenuss Fotoshooting am lieblichen Strand. Dann handschmeichelnde Steine übers in sich ruhende Wasser werfen und vor Freude hüpfen lassen, auf Mauerruinen klettern, in die Seebrücke eingeritzte Verewigungen lesen und – wie immer vergebens – in Bernstein eingeschlossene vergangene Träume suchen ... Wenn die Seele baumelt, feiert das Kind Auferstehung. War es Ringelnatz, der meinte, die Möwen müssten alle Emma heißen? Sie kreischen noch vor Glück, selbst wenn der Tag geht. Und sie begeistern sich wie ich nach langem wieder für einen pinkfarbenen Sonnenuntergang.

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